0430 - Vampir-Geschwister
dann noch ein Oberinspektor.«
»So schlimm ist es nicht.« Parker paffte drei Wolken, ich nahm einen Schluck Tee. Er kannte den Grund meines Besuches nicht genau und war natürlich dementsprechend neugierig, beinahe aufgeregt.
Ich spannte ihn auch nicht mehr lange auf die Folter und erklärte ihm, weshalb ich gekommen war.
»Es hatte sich herumgesprochen, daß bei Ihnen Tiere angefallen worden sind, weil jemand deren Blut trinken wollte.«
Mit offenem Mund starrte er mich an und merkte nicht einmal, daß hellgraue Asche von seiner Zigarre auf den Boden fiel. »Wie?«
»Ist nicht das Blut von Tieren getrunken worden, Mr. Parker?«
»Das sagt man wohl oder nimmt es an.«
»Und ich habe etwas von Vampiren gelesen.«
Da wurde er rot. »Sir, das ist nicht von mir.« Er wedelte mit beiden Händen. »Um Himmels willen, ich habe das Märchen nicht in die Welt gesetzt. Das waren die Reporter.«
»Falls es ein Märchen ist.«
Sein Mund klappte zu. »Sagen Sie bloß, Sie nehmen das für bare Münze?«
»Wäre ich sonst hier?«
Als er lächelte, wirkte es so, als wollte er mich auslachen. »Sir, ich kann Ihnen da nicht folgen. Ich meine, wir leben ja in einer verflucht einsamen Gegend. Es kommen selten Fremde nach Wark, und manche Menschen sind noch abergläubisch. Doch was dieses Vampir-Märchen angeht, kann ich Ihnen nicht folgen.«
»Ist es denn wirklich so unwahrscheinlich?«
»Ja, Sir. Sie hätten mich nur anzurufen brauchen, ich hätte Ihnen alles erklären können.«
»Hm.« Ich nickte und hob einen Arm an. »Da ist aber noch eine Sache. So einsam und verlassen die Gegend auch wirkt, aber sie ist geschichtsträchtig. Hat hier nicht einmal Richard Löwenherz gewirkt?«
Er war erstaunt. »Das wissen Sie?«
»Ja.«
»Es stimmt. Er war mal hier, noch vor seiner großen Zeit und vor den Kreuzzügen.«
»Gibt es darüber Unterlagen?« Ich schüttelte den Kopf. »Das ist wohl der falsche Ausdruck. Vielleicht Chroniken?«
»Bei mir nicht.«
»Sondern?«
»Wir haben hier in Wark einen alten Lehrer, unseren Mr. McFisher. Er hat sich mit der Geschichte beschäftigt.«
»Und der Mann ist greifbar?«
»Ja.«
»Dann möchte ich gern mit ihm sprechen.«
»Soll ich ihn anrufen?« Der Konstabler griff bereits zum Telefonhörer, doch ich winkte ab.
»Das können Sie gleich machen, ich habe da noch eine Sache auf dem Herzen.«
Er nahm die Hand wieder zurück und drehte den Stuhl in eine andere Richtung, weil ihm das plötzlich hereinfallende Sonnenlicht direkt ins Gesicht schien.
»Was denn, Sir?«
»Auf der Fahrt hierher lag ein Hindernis auf der Straße.«
»Das Fahrrad.«
Jetzt war ich überrascht. »Sie wissen davon?«
»Ja. Man hat es mir gesagt. Ich hätte es auch längst abholen lassen, aber ich wollte auf Sie warten.«
»Weshalb hat es dann kein anderer weggenommen?«
Parker lachte etwas bitter. »Sie kennen doch die Leute, Sir. Die wollen damit nichts zu tun haben.«
»Das ist manchmal leider so. Wissen Sie denn, wem das Rad gehört?«
»Klar. Morgan Ball, unserem Küster.« Parker grinste. »Das ist ein besonderer Typ. Er ist keiner Feier abgeneigt. Meist fährt er in der Nacht ziemlich steif nach Hause, das kennen wir. In der letzten muß es ihn besonders hart erwischt haben, denn umgekippt ist er selten.« Der Konstabler winkte ab. »Ich wüßte nur nicht, was das mit Ihrem Besuch hier zu tun hat.«
»Im Prinzip nichts«, erwiderte ich leise. »Ich wurde nur mißtraurisch, als ich die nähere Umgebung der Unglücksstelle untersuchte. Ich fand nämlich Blut auf der Fahrbahn und im nahen Gras.«
»Menschenblut?«
»Davon gehe ich eigentlich aus.«
Mein Gegenüber schabte über sein Kinn. Meine Antwort hatte ihn verlegen gemacht. »So genau weiß ich da auch nicht Bescheid. Wie gesagt, bisher ist nichts passiert. Ich nehme an, daß der Küster zu Fuß in den Ort zurückgekehrt ist und jetzt erst mal irgendwo seinen Rausch ausschläft. Gegen Abend ist er dann wieder wach.«
»Dennoch möchte ich der Sache gern nachgehen, wenn Sie gestatten.«
»Meinetwegen, ich habe nichts dagegen. Nur halte ich persönlich nicht viel davon, aber wenn dieser Vorfall in das Mosaik Ihres Falls hineinpaßt, bitte schön.«
»Das wird er wohl.«
»Wo wollen Sie denn zuerst hin? Zum Lehrer oder zum Küster?«
»Wenn Morgan Ball erst noch seinen Rausch ausschläft, möchte ich ihn als zweiten besuchen.«
»Das wäre auch besser.« Der Konstabler blickte auf die Aschenspitze seiner Zigarre. »Sie können ja
Weitere Kostenlose Bücher