0430 - Vampir-Geschwister
festzustellen, jedenfalls ignorierte sie mich völlig und kümmerte sich um ihren Sohn Jack.
Der stand an der Wand. Einen Arm hielt er halb, erhoben. Aus seiner Hand ragte die Stange hervor. Links von mir stand eine Bahre, auf der die Toten lagen, bis sie eingesargt wurden.
Ich geriet in die unmittelbare Nähe der Blutsaugerin. Auf die Beretta verzichtete ich, denn das Kreuz würde für sie reichen, wenn es hart auf hart kam. Und sie hatte mich bemerkt. Urplötzlich wirbelte sie so schnell auf dem Absatz herum, daß ich erschrak. Ich sah jetzt ihr Gesicht, dessen Züge verzerrt waren, handnah vor mir, die großen Augen, den aufgerissenen Mund und die beiden Lanzenzähne.
Da schlug ich zu.
Es war ein schräg angesetzter Hieb, der sie zur Seite schleuderte. Sie torkelte quer durch den kahlen Raum und wurde erst von der Seitenwand aufgehalten. Schmerzen verspürte sie nicht. Ich kümmerte mich auch nicht um sie, sondern scheuchte Jack mit harten Worten weg.
Von der Tür her meldete sich McFisher. Auch er schrie Jack an, kam selbst und zog ihn in die Höhe. Dabei warf er mir etwas zu, das ich mit einer Reflexbewegung auffing.
Es war eine lange Stablampe. »Die brauche ich nicht. Sie ist zu hinderlich, danke.« Ich legte sie zur Seite und holte statt dessen meine kleine Halogenleuchte hervor.
Sie brachte viel kaltes Licht. Im Zentrum des Strahls malte sich der Körper der Blutsaugerin ab.
Noch hockte sie am Boden.
Den Kopf hatte sie in meine Richtung gedreht, so daß ich ihr Gesicht betrachten konnte, das zwar menschliche Züge zeigte, für mich aber nicht mehr menschlich war, denn vor mir hockte eine gnadenlose Bestie, die sich vom Blut anderer ernährte.
Links hielt ich die Lampe, rechts mein Kreuz. Ich tat etwas, mit dem der Vampir wohl nicht gerechnet hatte, denn ich brachte das Kreuz in den hellen Strahl hinein, so daß es einen Schatten warf, der sich, den Körperformen folgend, auf die Gestalt der Vampirin legte.
Das war schlimm für sie.
Ihr Schrei drang aus tiefster Kehle, er zitterte zwischen den Mauern. Sie spürte Qualen, ich vernahm hinter mir Geräusche und hörte Jack Cernachs verzweifelt klingende Stimme. Darum konnte und durfte ich mich jetzt nicht kümmern. Die Blutsaugerin war wichtiger, ich brauchte ihre Aussage.
»Nimm es weg!« schrie sie. »Nimm es weg!«
Mein »Nein« klang hart.
Sie schluchzte auf, als ich noch einen Schritt näher trat.
Sie drehte den Kopf zur Seite, veränderte ihre Haltung und beugte ihr Gesicht dem Boden entgegen. So hockte sie geduckt auf der Stelle, ohne sich zu rühren.
Sie wollte mich nicht sehen, aber sie mußte meine Schritte hören, als ich auf sie zuging.
»Du weißt, was ich hier in der Hand halte - oder?«
»Ja.«
»Ich kann dich damit töten, die Schmerzen spürst du jetzt schon, aber die anderen werden schlimmer sein. Sie zerreißen dich. Sie zerstören deinen Körper, als wäre er nur alter Stoff, den man in zwei Hälften reißt.«
»Dann tu es!«
»Nein, ich will etwas wissen!«
Sie jaulte wie ein Tier. Für ihren zuhörenden Sohn mußte es schrecklich sein, aber es gab keine andere Möglichkeit für mich, wenn wir diesen Fall lösen und die Gefahr für zahlreiche Menschen bannen wollten. Ein einziger Vampir konnte durch seine Bluttaten Hunderte von Personen infizieren.
Sie krümmte sich. Die Schatten der Kreuzbalken bereiteten ihr Schmerzen. Ich hoffte, daß sie stark genug waren, um sie zu einer Antwort zu zwingen.
Und sie sagte etwas. »Wir sind stärker!« keuchte sie. »Viel stärker als ihr. Wir werden euch vernichten, ihr Menschen kommt nicht…«
»Wer ist wir?«
»Du wirst es nicht…«
Ich ging näher. Sie hörte mich und sah mein Kreuz nicht mehr nur als Schatten. Es glänzte im Strahl der Lampe und mußte für dieses Wesen das Fanal des Todes sein.
»Er war es. Der Küster. Er hat mich überfallen. Der Küster!« Sie zuckte plötzlich hoch. Es sah so aus, als wollte sie nach mir schlagen, doch sie überlegte es sich im letzten Augenblick anders und lief an der Wand der Leichenhalle entlang in eine andere Richtung.
Ich folgte ihr, war schneller, packte sie und schleuderte sie wieder herum. »Wer?« schrie ich über das Kreuz hinweg. »Nur der Küster?«
»Jaaaa…!«
»Nur er?«
»Es sind noch andere. Luna, der Earlof Luna.« Sie lachte wild und wollte mir an die Kehle.
Ich drückte das Kreuz genau in ihre Sprungrichtung. Sie wedelte noch mit den Händen, aber es war eine zu schwache Abwehrbewegung.
Ihr Schreien war
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