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0431 - Der Gentleman-Killer

0431 - Der Gentleman-Killer

Titel: 0431 - Der Gentleman-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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Korn zu nehmen. Ich entschloß mich, zuerst die Waggons abzusuchen und dann weiterzusehen.
    Der grobe Kies rollte unter meinen Schuhen und machte es fast unmöglich, leise zu sein. Ich blieb stehen und lauschte. Außer dem gedämpften Lärm der Sechsten Avenue war nichts zu hören. Ich bückte mich und sah unter den Waggon. Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Die Räder warfen verzerrte Schatten über den Boden, und ich konnte nicht unterscheiden, ob irgendwo dazwischen ein Mann lag.
    Langsam schob ich mich auf dem Boden weiter und sah um die Ecke. Es waren drei Waggons auf meinem Gleis und auf dem dicht dabeiliegenden Nachbargleis zwei. Ich warf einen Blick auf die Leuchtziffern meiner Uhr. Es war kurz vor Mitternacht. Die Reinigungstrupps, die die Wagen für den Frühdienst fertig zu machen hatten, würden erst in zwei bis drei Stunden aufkreuzen.
    Plötzlich spürte ich unter meinen Füßen ein leichtes Vibrieren. Ich sah mich um, konnte aber die Lichter des herannahenden Zuges noch nicht sehen. Ich konnte auch nicht feststellen, auf welchem Gleis er kam. Langsam schob ich mich weiter um den hintersten Waggon herum. Das Metall seiner Rückwand schien zu glühen. Vom Boden stieg heiße, nach Teer und Ruß riechende Luft auf. Jetzt konnte ich schon das Donnern des Zuges hören. Ich preßte mich flach an den Waggon und sah in den dunklen Zwischenraum der Gleise. Wenn der Zug auf unserer Höhe sein würde, könnten die Männer weiterlaufen, das Geräusch ihrer Schritte würde verschluckt. Wenn sie überhaupt noch hier waren.
    Der Zug war so plötzlich da, daß ich die beiden fast nicht bemerkt hätte. Es war eigentlich nur das Schwanken des Waggons, das mich warnte. Ich machte einen Satz und sprang wieder auf die andere Seite. Sie rannten in dem knapp einen Yard breiten Zwischenraum neben dem dahinrattemden Zug. Die Lichter der Fenster beleuchteten ihre Umrisse, und ich konnte sehen, daß sie auf beiden Seiten nur wenige Zentimeter Platz hatten.
    Der Boden war uneben, und sie schwankten beim Laufen; eine falsche Bewegung mußte für sie den Tod bedeuten. Aber sie liefen wie Schlafwandler. Ich setzte ihnen nach. Ich lief schräg, die rechte Schulter nach vorn und richtete mich nach dem feststehenden Waggon aus.
    Sie wußten nicht, daß ich ihnen folgte, und sie konnten sich nicht umdrehen. Aber ich sah sie.
    Langsam wurde der Abstand kleiner.
    Ich hatte das Gefühl, der neben mir herdonnernde Zug war unendlich lang.
    Dann war er plötzlich weg, und der Sog hätte mich beinahe auf die Gleise geworfen. Ich sah noch, daß die Männer beinahe den Tunneleingang der Eight Line erreicht hatten, dann waren sie plötzlich verschwunden.
    Ich lehnte mich flach an einen Signalpfosten, um wenigstens etwas Deckung zu haben und wartete. Direkt vor mir stand auf dem Gleis noch ein vierter Waggon. Die beiden schwarzen Puffer; die mit einer fast fußbreiten Auffangrampe verbunden waren, hatten schon Rost angesetzt und waren ziemlich verbeult. Ich vermutete, daß es ein ausrangierter und veralteter Wagen war, den man nur noch als Rumpelkammer für Putzutensilien benützte. Ich wollte gerade auf ihn zugehen, als ich plötzlich das Gefühl hatte, er käme mir entgegen.
    Ich kniff die Augen zu und machte sie wieder auf. Ich hatte mich nicht getäuscht, der Wagen kam auf mich zu.
    Erst ganz langsam, dann plötzlich mit einem Schwung, rollte er das Gleis herunter. Ich sah mich um. Kurz hinter mir waren schon die Puffer des nächsten Waggons, neben mir der Signalmast.
    Ich sprang von dem Gleis herunter und lief geduckt über den Schotter. Der Wagen rollte über die Stelle, auf der ich eben noch gestanden hatte und setzte mit leisem Plopp auf die feststehenden Wagen auf. Ich hatte keine Deckung und lief im Zickzack zurück.
    Der erste Schuß verfehlte mich nur knapp, der zweite zischte an meinem linken Ohr vorbei, dann hatte ich die Waggons wieder erreicht.
    Vor mir gab es keine Deckung mehr. Die Männer mußten den Tunnel also erreicht haben. Ich überlegte fieberhaft. Solange sie mich daran hindern wollten, ihnen zu folgen, mußten sie am Eingang des Tunnels bleiben, dort war aber wenig Platz, und wenn ein Zug kam, saßen sie in einer Falle. Ich sah mich um, aber es gab für mich keinen Weg dorthin, den sie nicht mit ihren Schießeisen erreichen konnten.
    Ich versuchte, mich in ihre Lage zu versetzen. Sie konnten entweder riskieren, daß ich ihnen folgte, und einfach durch den Tunnel verschwinden, oder sie warteten, bis ein Zug kam und

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