0433 - Die Stadt der tausend Fallen
Gehirn konnte das Tapurium nicht durchqueren. Zuviel Gefahren lauerten in diesem Gebiet. Sollte jedoch der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass jemand bis zu Corellos Tempel vorstieß, dann würde er vor den Festungsanlagen dieses Gebäudes sterben.
Corello dachte wieder an das Schiff, das in die Lasztman-Ballung eingedrungen war. Ein terranisches Schiff. War bereits ein Landungskommando auf Gevonia angekommen? Unmöglich war das nicht. Der Kontakt zwischen Corello und seinen Marionetten war gestört. Er erinnerte sich, dass ein paar verantwortliche Männer versucht hatten, mit ihm zu sprechen und ihn zu warnen.
Er hatte diese Bemühungen jedoch ignoriert.
Corello überzeugte sich, dass der Schutzschirm um das Tapurium sich wieder stabilisierte.
Als er sich anschickte, sich um den oder die Eindringlinge zu kümmern, hatte er wieder eine Halluzination.
Diesmal erschien ihm seine Mutter. Ihre Projektion war wesentlich deutlicher als die Kitai Ishibashis.
Gevoreny Tatstun schien neben den Kontrollen zu stehen.
Warum lächelt sie nicht? fragte sich Corello.
„Du darfst die Fremden nicht töten, die jetzt zu dir kommen", hörte er eine Stimme in seinem Gehirn. „Sie sind deine Freunde."
„Freunde?" murmelte er matt. „Ich habe keine Freunde."
Seine Mutter veränderte ihre Stellung und glitt vor die Bildschirme. Durch ihren nebelartigen Körper sah Corello das tanzende Mädchen. Dieser Doppeleffekt ließ ihn aufstöhnen.
Kraftlos hing er im Sessel. „Du kennst jetzt das Offensivprogramm", fuhr Gevoreny Tatstun fort. „Warum kämpfst du nicht dagegen an? Du musst zu dir selbst finden."
„Wie ist es passiert?" stammelte er. Seine Lippen bewegten sich kaum, aber er hörte seine eigenen Worte so deutlich, als würde ein anderer direkt an seinem Ohr sprechen.
„Man hat eine Embryo-Blockade bei dir vorgenommen", antwortete Gevoreny Tatstun.
„Embryo-Blockade?" wiederholte Corello tonlos. Er begann Zusammenhänge von schrecklicher Tragweite zu erahnen.
„Anti-Priester und Ara-Mediziner haben deinen Embryo noch im Mutterleib beeinflusst", berichtete Gevoreny Tatstun.
Corello sah, dass die Vision weinte. Es war schrecklich für ihn.
Was war damals mit ihm geschehen? Noch vor seiner Geburt war er ein Opfer fremder Mächte geworden.
Die Zusammenhänge wurden immer klarer.
Embryo-Blockade-Offensivprogramm Das passte zusammen.
Durch Berechnungen und in wissenschaftlicher Kenntnis der damaligen Ereignisse hatten die Antis und Aras gehandelt.
Wahrscheinlich hatten sie die Paraimpulse von Corellos Embryo angemessen. Seine Mutter hatte sich damals nicht wehren können. Hilflos hatte sie erdulden müssen, dass man ihren Sohn noch vor seiner Geburt präparierte. Nachdem Corello dann zur Welt gekommen war, hatte Gevoreny Tatstun alles getan, um ihren Sohn zu retten. Fast vierhundert Jahre lang hatte sie ihn, den unglaublich langsam Heranwachsenden, vor allen Schwierigkeiten geschützt. Als er dann alt genug war, hatte sie ihm als letzten Schutz noch den Zellaktivator überreicht.
Alle Maßnahmen waren sinnlos gewesen. Die hypnosuggestive Blockade der Bösartigkeit in Corellos Unterbewußtsein hatte standgehalten. Das Offensivprogramm der Antis und Aras war angelaufen. Die mächtigen Ärzte und Priester hatten ihr Opfer jedoch unterschätzt und waren schließlich selbst von ihm versklavt worden. Wie beabsichtigt war Ribald Corello zum größten Feind der Menschheit geworden, aber jene, die ihn als Werkzeug zu benutzen gedacht hatten, waren von ihm ausgeschaltet worden.
Corello hatte die Antis und Aras besiegt, ohne zu wissen, dass er noch immer in ihrem Sinne arbeitete, wenn er Flottenstützpunkte des Solaren Imperiums angriff oder die Bewohner von Kolonialwelten unterjochte. Je länger die Stimme seiner Mutter aus dem Unterbewußtsein zu ihm sprach, desto klarer wurden die Zusammenhänge.
„Alles war geplant", fuhr Gevoreny Tatstun fort. „Du warst wichtigster Bestandteil des teuflischsten Planes, den die Aras und Antis sich jemals ausgedacht hatten."
Corellos Kopf schwankte hin und her. Er war verzweifelt.
„Ich wollte es nicht", jammerte er. „Du musst mir verzeihen, Mutter."
„Wer sollte dir noch verzeihen können?" fragte die Erscheinung.
„Es gibt nur eine Möglichkeit für dich: Du musst versuchen, alles wieder gut zumachen."
Corello verdrehte die Augen. Die seelische Belastung war so stark, dass er wahnsinnig zu werden drohte. Dann verschwand die Vision so plötzlich, wie sie gekommen war.
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