0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter
sich gebildet hatte.
Der Argentinier und der Ringrichter waren bereits von der Bildfläche verschwunden. Die beiden Träger schleppten die Bahre mit Lion Brecket durch den schmalen Gang. Vor ihnen öffnete sich die Stahltür wie ein Eingang zu einer dunklen Gruft. Ich schob mich neben den Doc, der mit dem Trainer der Bahre folgte.
Ein Sergeant wimmelte alle lästigen Besucher an der Tür ab. Er war ein baumlanger Bursche mit Fäusten wie Schraubstöcke. Gott sei Dank kannte er mich, so daß ich nicht meinen Ausweis zu zücken brauchte. Ich legte Wert darauf, nicht gleich als G-man erkannt zu werden, weil ich damit rechnen mußte, daß auch der Mörder noch unter den Zuschauern war. Ich huschte durch die Tür. Der Arzt gab gerade die Anordnung, die Trage auf den Massagetisch zu stellen, der groß genug war.
Kaum hatte ich den Raum betreten, als sich die Tür wieder öffnete. Promoter Max Wilston stürzte herein. Er war grauhaarig, hatte aber eine durchtrainierte Figur, obwohl er mindestens 60 Jahre alt war.
»Die schlagen mir das ganze Mobiliar zusammen«, stöhnte er, »warum hat Lion Brecket nur aufgegeben? Warum? Nichts liegt näher als Schiebung. Das ist ganz natürlich. Doch nun reden Sie schon«, wandte er sich an den Trainer, »ich habe den Kampf nicht gesehen. Hat Rocky Robero ihn so zusammengeschlagen, daß er bis ietzt noch nicht zu sich gekommen ist?«
Der Doc sah den Promoter einige Sekunden mit seinen wasserhellen Augen an. Dann schüttelte er den Kopf und gab den Trägern ein Zeichen, das Tuch zurückzuschlagen.
Die Beleuchtung war grell und unbarmherzig. Der Blick der gebrochenen Augen war genau auf Wilston gerichtet.
»Aber das verstehe ich nicht«, stammelte der Promotor, »ist Brecket tot?«
Der Arzt nickte, trat an den Massagetisch und drehte Lions Kopf, bis das kleine Einschußloch an der Schläfe zu sehen war. Auf der Trage hatte sich eine große Blutlache gebildet.
»Da kann kein Arzt der Welt helfen«, sagte der Doc leise, »er war sofort tot. Erschossen.«
Max Wilston griff sich an den Kopf. Er brachte sekundenlang keinen Ton über die Lippen.
»Wie… wie konnte das… passieren?« murmelte er. »Es hat doch niemand etwas gesehen… Lion Brecket tot… ermordet…«
Der Promoter sah sich suchend um, als erwartete er, von jemandem aus einem schlechten Traum gerissen zu werden. Er streifte die beiden Träger nur mit einem flüchtigen Blick. Dann sah er den Trainer an, der die Schultern zuckte, und dann mich.
Ich war Wilston mehrere Male auf Partys vorgestellt worden. Er schien sich an mein Gesicht zu erinnern. Ich half ein klein wenig nach, indem ich meinen Ausweis zückte und meinen Namen nannte.
»Richtig, Sie sind der bekannte G-man Jerry Cotton«, sagte Wilston.
»Darf ich einmal telefonieren?« fragte ich und wies auf den Apparat, der auf Lions Toilettentisch stand. Der Promoter nickte.
Ich ließ mich von der Zentrale die Mordkommission Süd geben und schilderte Lieutenant Flobert mit wenigen Worten die Situation.
Als ich den Hörer auf die Gabel legte, stand Wilston neben mir.
»Was gedenken Sie zu tun, Cotton?« fragte er.
»Sie haben es gehört. Ich habe die Mordkommission alamiert.«
»Mordkommission in meinem Haus? Das vergrößert den Skandal noch. Läßt es sich nicht vertuschen, daß Lion Brecket ermordet worden ist?«
Der Promoter faßte meinen Arm und klammerte sich daran fest wie ein Ertrinkender an einer Schiffsplanke.
»Es wird sich nicht verheimlichen lassen. Wahrscheinlich brauchen wir Augenzeugen, obwohl Wenig Hoffnung besteht, daß jemand den Mörder beobachtet hat.«
»Natürlich können wir den Tod von Lion Brecket nicht verheimlichen«, schaltete sich der Trainer ein, »es gibt keine Erklärung, warum Lion umfiel. Denn Rocky hatte völlig die Übersicht verloren und Sekunden vorher nicht einen einzigen Schlag angebracht.«
»Sie haben recht«, räumte ich ein, »aber trotzdem brauchen wir nicht gleich die ganze Wahrheit preiszugeben. Wir haben nur eine Chance, den Mörder schnell zu entlarven. Wir müssen ihn im Ungewissen lassen, ob er sein Opfer tödlich getroffen hat. Dann wird er einen Fehler begehen, um herauszufinden, ob Brecket tot ist.«
»Wie wollen Sie das anstellen?« fragte der Promoter nervös.
»Die beiden Träger, der Doc und der Trainer werden zum Stillschweigen verpflichtet. Sie dürfen es auf einen Kontakt mit der Öffentlichkeit gar nicht erst ankommen lassen, sondern müssen sich möglichst weit absetzen.« Ich ordnete an,
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