0434 - Die Mörderspinne
fortgeschickt werden dürfen?« lächelte sie spöttisch. »Du wiederholst dich, Fedor Martinowitsch!«
Er sah sie an. Sie lächelte immer noch spitzbübisch, und es fiel ihm schwer zu verdrängen, wie diese schwarze Spinne auf ihrer Zunge gewesen war… Mühsam kämpfte er den Brechreiz nieder. Er haßte Spinnen, er ekelte sich vor ihnen. Wo er sie fand, erschlug er sie. Sein Alptraum war es, einen Raum betreten zu müssen, der voller Spinnweben hing und wo an jeder Ecke ein paar dieser achtbeinigen kleinen Ungeheuer ihn belauerten.
Warum er diese Abneigung hatte, hatte er nie ergründen wollen. Es reichte ihm zu wissen, daß er seinen Ekel vor Spinnen mit mehr als der Hälfte der Menschheit teilte. Er kannte nur wenige Menschen, die in der Lage waren, eine Spinne zu berühren. Bei ihm genügte es schon, sie zu sehen…
»Unter anderem, Genossin Marina«, sagte er. »Das andere kann ich Ihnen auch hier und jetzt sagen - ich mag diese blödsinnigen Überraschungen mit Insekten nicht. Weder mit Fliegenschwärmen noch mit Spinnen…«
Sie hielt ihn immer noch fest. Sie lehnte sich leicht an ihn, und er ertappte sich dabei, daß er bereits den Arm um ihre Taille legte und ihre warme Haut unter seiner Hand spürte. Hastig löste er sich von Marina.
»Oh, es tut mir leid, Fedor«, sagte sie. »Ich wollte eigentlich nur einen kleinen Scherz machen.«
»Es war die falsche Art von Humor«, sagte er düster und griff nach der Türklinke, um in den Korridor hinaus zu treten.
»Warte«, sagte Marina leise. »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich wußte nicht, daß du so reagieren würdest. Vorhin im Labor… das war einfach lustig. Aber jetzt… ich werde es nicht wieder tun, das verspreche ich dir. Du hast Angst vor Spinnen, nicht?«
»Ich hasse sie«, sagte er.
»Bleib noch hier«, sagte sie. »Verzeih mir. Ich… ich warte schon lange darauf, daß du dich einmal außer zu Dienstzeiten bei mir sehen läßt. Komm…«
Sie faßte nach seiner Hand und zog ihn in die Mitte des Zimmers zurück.
Er schluckte. Wieder sah er die Spinne auf ihrer ausgestreckten Zunge, und ihn schauderte. Aber allmählich verblaßte der Eindruck.
Er sah sich nach dem geflüchteten kleinen Biest um, konnte es aber nicht mehr sehen.
»Du suchst sie?« fragte Marina leise.
»Du solltest sie fortschicken«, sagte er heiser.
Plötzlich entdeckte er die Spinne. Sie sah größer aus als zuvor; aber das mußte eine Täuschung sein. Spinnen wuchsen ja schließlich nicht so rapide. Er zeigte auf das achtbeinige Ungeheuer. »Da ist sie!« stieß er hervor. »Schick sie fort!«
Marina schloß die Augen. Etwas schien im Zimmer zu knistern. Dann war die Spinne von einem Moment zum anderen verschwunden.
»Zufrieden?« erkundigte Marina sich.
Er antwortete nicht. Es ist Wahnsinn, was ich hier mache, dachte er. Der Wissenschaftler und das Medium. Ich muß wieder gehen, sofort. Ich kann doch nicht einfach mit ihr…
Aber Marina war einfach zu verführerisch. Und sie schaffte es, ihn zu überzeugen. In dieser Nacht blieb er bei ihr. Darauf, daß zwischendurch jemand die Türklingel betätigte, reagierten sie beide nicht. Wer etwas wollte, sollte morgen wiederkommen.
Sie hatten ihren Spaß miteinander, und Fedor bereute es später nicht, seine Grundsätze über Bord geworfen zu haben.
Nur küssen konnte er sie nicht.
Weil er jedesmal an die vertrackte Spinne denken mußte.
***
Boris Saranow gab es auf. Er sah zwar, daß hinter den Fensterläden in Marinas Bungelow Licht brannte. Aber das Mädchen reagierte einfach nicht.
Resignierend kehrte der Parapsychologe wieder um. Er nahm an, daß die Klingel defekt war. Und er hielt es für nicht standesgemäß, mit der Faust gegen die Haustür oder die Fensterläden zu hämmern.
Daß das Medium einem ganz natürlichen menschlichen Trieb gefolgt war und sich dazu die Gesellschaft ausgerechnet seines derzeitigen Assistenten ausgesucht hatte, darauf kam er nicht. Für ihn war das Mädchen Marina ein Neutrum, ein geschlechtsloses Forschungsobjekt - ohne daß er ihr mit dieser Einstufung bewußt zu nahe treten wollte.
Kurz bevor Saranow seine eigene Behausung wieder erreichte, wurde er Zeuge eines Beinahe-Unfalls.
Ein Taxi vom Typ ›Wolga‹ bog in die Straße ein, auf der er sich bewegte. Aber der Fahrer vergaß anscheinend, das Lenkrad zürückzudrehen - zumindest korrigierte er seinen Kurs fast zu spät. Er trat auf die Bremse. Die Räder blockierten. Der Wagen schleuderte mit dem Heck
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