0435 - Mörder bitten nie um Gnade
Mr. Hawthorne sich anscheinend entschlossen. Er sagte:
»Mister, ich würde Sie ja gern ins Haus bitten. Es ist mir nur furchtbar peinlich, daß Sie warten müssen, bis ich angezogen bin. Ich weiß nicht, ob sich das Warten für Sie lohnt, verstehen Sie.«
»Wir warten«, sagte ich nur.
Ich hörte sekundenlang nichts, dann einen tiefen Seufzer und dann resignierend das Wort: »Okay!« Die Schritte entfernten sich schnell.
Wir warteten schweigend. Fünf Minuten. Zehn Minuten.
Die Sonne hatte sich gegen den Morgennebel nicht durchsetzen können. Sie stand verhangen am Himmel, unwirklich und ohne Kraft. Wir fröstelten beide. Die Feuchtigkeit drang durch unsere Mäntel. Von Nassau über die Felder her kam mit hohem Tempo ein Fahrzeug heran, verringerte kaum die Geschwindigkeit und bog mit quietschenden Reifen in den Merrik Boulevard ein. Wir warteten immer noch. So lange brauchte kein Mensch, um sich anzuziehen. Ich drückte wütend auf den Klingelknopf. Zweimal hintereinander ertönte der Dreiklang, dann eilige Schritte.
»Ich komm ja schon! Ich komm ja schon!« rief die Stimme von eben. Dann wurde ein Schlüssel gedreht, die Tür aufgezogen, und ein schwarzhaariger.
schmächtiger junger Mann stand vor uns.
»Was ist? Wollen Sie nicht eintreten?« fragte Mr. Hawthorne.
Wir traten in ein geräumiges Vestibül, in dem zwei geschmackvolle moderne Plastiken standen. Der helle Marmorboden spiegelte die schlanken, elegant geschwungenen Figuren wider, denen das gestreifte Licht der Jaousien eine eigenartige Färbung gab. Ich zählte drei Türen, die der Haustür gegenüber vom Vestibül abzweigten. Mr. Hawthorne bat uns durch die mittlere Tür.
Die hellen Ledermöbel, der riesige Tisch mit einer Glasplatte und der dicke Teppich fielen sofort auf, und auch die heiße abgestandene Luft, die man nicht in einem Zimmer vermutet, das erst seit einer Stunde wieder bewohnt wird.
Aber Hawthorne war allein. Er schien wirklich geschlafen zu haben. Ich sah die Decke auf dem riesigen Ledersofa und einige Sachen, die vermutlich Mr. Hawthorne gehörten.
Er bot uns Sessel an, aber ich zog es vor, stehenzubleiben und wie beiläufig verschiedene Dinge im Zimmer zu bewundern. Ich sah auch hinter die Wand aus Glasbausteinen. Ein Schwimmbecken füllte die Halle aus. Quer durch das Becken, in dem blaues Wasser spiegelglatt stand, lief ein Gitter, das bis unter die Decke dieser kleinen Halle reichte. Die andere Hälfte des Beckens setzte sich im Freien fort. Die Halle war buntgekachelt und mit schillernden farbenprächtigen Ornamenten an den Wänden versehen. Zwei Türen dicht nebeneinander verrieten die Umkleidekabinen. Mich interessierte natürlich nicht das Wasser.
Hielt Hawthorne Lil Hogan versteckt, oder hatte er tatsächlich mit diser Sache nichts zu tun?
Ich betrat die Schwimmhalle.
Mr. Hawthorne eilte sofort hinterher, erklärte einiges, dem ich nicht zuhörte, und versuchte, mich wieder ins Wohnzimmer hinüberzulotsen. Sein Benehmen war sehr auffällig.
Ich übersah das natürlich, bewunderte die Anlage, blickte beiläufig in die Kabinen, tat sehr interessiert, fand aber nichts, was auf Lils Anwesenheit hätte schließen können.
Phil erkannte meine Absicht und mimte ebenfalls den stark Interessierten.
Hawthorne blieb sehr höflich und zuvorkommend. Er beantwortete uns bereitwillig verschiedene Fragen; erzählte uns alles Mögliche, nur vermutlich nicht die Wahrheit, und war sichtlich froh, als wir uns endlich entschlossen, abzudampfen. Wir hatten nicht den geringsten Hinweis gefunden, obwohl Hawthorne uns auch noch andere Räume gezeigt hatte.
»Was hältst du davon?« fragte Phil, als wir wieder auf der Straße standen.
»Es sieht aus, als verheimliche Hawthorne etwas«, sagte ich nachdenklich.
»Ohne Haussuchungsbefehl ist hier nichts zu machen«, stellte Phil fest.
Ich sagte nichts. Wir schlenderten zum Wagen zurück.
Ich besaß noch keinerlei Vorstellung, wo wir jetzt anknüpfen sollten, um Lil endlich zu finden.
Wir fuhren zur Polizeistation in Rose Dale.
Wir betrachteten dort nachdenklich den Chrysler. Es war ein altes Auto, mit schlechtem Lack, ungepflegt, mit zerrissenen Polstern und abgegriffenem Lenkrad. Aber die Bereifung war noch ausgezeichnet, und Phil erinnerte sich, wie schnell der Wagen in der Nacht, da er den Chrysler verfolgt hatte, gewesen war. Er wischte mit der Händ über das verwitterte Blech und stutzte plötzlich. Ich sah seine Augen aufleuchten.
»Mensch! Jerry!« Phil schlug sich mit
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