0436 - Im Reich der Kraken-Schlange
Ungeheuer hat auch Enric getötet.«
Mejia verzog säuerlich das Gesicht. »Ein Ungeheuer, das es nicht geben kann. Kein Tier auf der ganzen Welt sieht so aus, wie es Julio beschrieben hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es wirklich existiert. Außerdem muß es ja irgendwie dorthin gekommen sein, aber woher? An diesen Quatsch…«, er deutete auf die Zeitung, »an diesen Blödsinn kann, will und werde ich erst recht nicht glauben…«
»Ich bin überzeugt, daß es das Ungeheuer gibt.«
»Ich glaube erst daran, wenn ich es sehe«, sagte Mejia. »Ich weiß nicht, was an diesem Wasserfall wirklich vorgefallen ist, aber ich werde es herausbekommen. Nur kann ich mir Julio nicht als Mörder vorstellen… na schön, ich werde ihn mir jetzt selbst vorknöpfen. Ich hatte nur gedacht, Sie könnten mir etwas über seine Stimmung verraten.«
»Die ist katastrophal«, verriet Zamorra. »Er gibt sich die Schuld an Enrics Tod. Er hat ihn gestern abend offenbar herausgefordert, zum Wasserfall zu gehen. Wo ist dieser Wasserfall überhaupt genau?«
»Ich zeige Ihnen den Weg«, sagte Mejia. »Wenn ich mit Julio geredet habe. Denn ich möchte mir die Stelle selbst gern noch einmal genau ansehen.«
***
Ein schmuddelig gekleideter älterer Mexikaner, einen breiten Sombrero auf dem Kopf, bewegte sich durch die steinige Berglandschaft. Hoch oben auf einer Felskante blieb er stehen und sah in die Tiefe. Neben ihm rauschte das Wasser des San-Juan-Flusses in den kleinen See im Felsenkessel.
Der Mann, dessen in die Stirn fallendes Haar eine Narbe verdeckte, konnte einen dunklen Schatten unter der Wasseroberfläche erkennen. Normalen sterblichen Augen wäre er verborgen geblieben. Doch der Dämon sah ihn recht deutlich.
Das also war das Ungeheuer, das aus der Zukunft kam, um hier Opfer zu verschlingen.
Leonardo deMontagne tastete mit seiner Magie und mit dem vor seiner Brust hängenden Amulett die Kraft des Ragnarök-Mònstrums ab. Das Ungeheuer war enorm stark. Zamorra würde es schwer haben, dagegen anzukommen - wie das Eysenbeiß-Bewußtsein es vermutete. Leonardo hatte einen vagen, entsprechenden Eindruck aufgefangen.
Er lächelte böse.
Es wurde Zeit, daß Zamorra hierher kam. Um sein blaues Wunder zu erleben…
***
»Eigentlich müßte ich Sie verhaften, Señor Zantos«, sagte Teniente Mejia. »Auf der einen Seite die Beschuldigung, Sie hätten einen Mord begangen, auf der anderen Seite Ihre eigene Behauptung, Sie seien schuldig an Pablo Enrics Tod… da bleibt mir nicht viel Spielraum.«
»Und warum verhaftest du mich nicht, Franco?« brummte Zantos.
»Weil ich Ihnen keinen Mord zutraue, Señor. Ich möchte wissen, was sich gestern abend abgespielt hat. Bis ins letzte Detail.«
Zantos erzählte es ihm.
»Schon wieder dieses sagenhafte Ungeheuer… aber es kann nicht existieren, so ein Wesen gibt es nicht.«
»Nur, weil es deine Dienstvorschrift nicht zuläßt«, brummte Zantos.
»Zeigen Sie mir das Biest, lassen Sie es mich fotografieren, und mit dem Foto überzeugen wir die Behörden«, sagte Mejia.
»Klar, mache ich. Das Biest erscheint natürlich auch auf Kommando…«
Mejia ging auf den Spott nicht ein. »Also, Señor, gehen wir?«
Zantos rührte sich nicht.
»Da ist eine polizeiliche Aufforderung«, versuchte Mejia seiner Bitte Nachdruck zu verleihen. Julio Zantos seufzte. »Heute will anscheinend jeder gefressen werden«, murmelte er. »Franco, ich habe diesen Enric in den Tod geführt. Willst du auch sterben? Was ihr braucht, sind schwere Waffen, mit denen ihr das Monstrum in Stücke schießt. Nehmt einen Hubschrauber, nehmt es mit Raketen unter Feuer oder mit Napalm. Und sag jetzt bloß nicht, die Wissenschaft wollte es unversehrt auf dem Seziertisch sehen.«
»Die Wissenschaft glaubt sowieso nicht, daß es existiert. Warum sollte sie es also untersuchen wollen, Señor?« brummte der Teniente. »Aber warum nur Raketen und Napalm? Warum nicht gleich eine Atombombe oder chemische Kampfstoffe?«
Zantos tippte sich an die Stirn. »Ich habe dich gewarnt, Polizist«, sagte er. »Und ich will nicht, das das Monstrum auch dich umbringt, weil du mir sympathisch bist, Franco.«
Mejia klopfte auf das Futteral seiner Dienstwaffe. »Ich habe immerhin noch einen Kollegen bei mir«, sagte er. »Kommen Sie jetzt, Señor Zantos?«
»Ungern«, murmelte Zantos. »Nur, wenn es unbedingt sein muß.«
»Also los.«
Julio verließ seine Hütte. Einmal sah er zum Himmel hinauf. Hoch über ihm kreisten zwei
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