0436 - Im Reich der Kraken-Schlange
er fast die bereits mehrmals festgestellte Kraft des alten avaionischen Zauberers, die benutzt worden war und die er doch so gut kannte… zu gut kannte…
Nach wie vor zogen die Kundschafter ihre Kreise am Himmel, um das Wissen des Einäugigen zu vergrößern.
***
Zamorra stoppte den Land-Rover neben den ausgebrannten Resten des Nissan Patrol. Nicole und er stiegen aus. Der kleine See lag wieder völlig ruhig da. Nur der Wasserfall rauschte.
Keine Spur von der Kraken-Schlange…
»Verdammt, das Biest ist doch enorm groß«, sagte Zamorra. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß der See so tief ist, daß es sich den Blicken vollkommen entziehen kann.«
»Das San-Juan-Wasser ist relativ dunkel«, sagte Nicole. »Und wir haben eine schwierige Perspektive. Wir hätten statt des Geländewagens einen Hubschrauber nehmen sollen.«
»Und uns mit einem ungläubigen Piloten herumschlagen, den wir dadurch vielleicht auch noch in Gefahr brächten?«
»Ohne Piloten. Oder hast du das Fliegen verlernt?«
»Kaum«, murmelte Zamorra. Er hatte lange Zeit eine Fluglizenz für ein- bis zweimotorige Maschinen sowie Hubschrauber besessen. Aber die Lizenz war verfallen, weil er die jährlichen Mindest-Flugstunden nicht mehr nachweisen konnte; er kam einfach nicht dazu, ein paar Runden zu drehen nur so zum Treibstoffvergeuden und um der Bürokratie Genüge zu tun. Verlernt hatte er trotzdem nichts; auch ohne das Stück Papier war er immer noch jederzeit in der Lage, ein kleines Flugzeug oder einen Helikopter zu steuern.
Im Gegensatz zu manchem Sonntagspiloten, der schon durch leicht schwierige Thermik überfordert wurde und den ein lindes Lüftchen aus der Fassung brachte. Aber diese Leute brauchten auch nicht gegebenfalls um ihr Leben zu fliegen…
Oder um das von anderen…
Er öffnete das kleine Futteral an seinem Gürtel und nahm den Dhyarra-Kristall heraus. Der Sternenstein funkelte hell im Sonnenlicht auf. Zamorras Hand umschloß ihn sofort.
»Wie willst du vorgehen?« fragte Nicole.
»Ich muß das Biest irgendwie aus der Reserve locken«, sagte er. »Ich muß ihm einen Köder anbieten, damit es kommt und zuschnappt. Was hat Zantos erzählt? Die beiden Mädchen badeten nahe dem Wasserfall. Und Enric war ebenso direkt an der Uferkante, wie es vor ein paar Stunden die beiden Polizisten waren.«
»Du willst doch wohl nicht im Ernst dort hinunter gehen?« fragte Nicole. »Was ist, wenn du dann nicht schnell genug reagieren kannst?«
Zamorra lächelte. Er warf den Dhyarra-Kristall kurz in die Luft und fing ihn wieder auf.
»Weder du noch ich. Aber wir haben da ja noch andere Möglichkeiten.«
Da begriff Nicole, als Zamorra den Kristall aktivierte und sich auf das konzentrierte, was er errreichen wollte…
***
Leonardo deMontagne versetzte sich in die Nähe des Wasserfalls, um den Überblick über das Geschehen zu behalten. Er warf einen Blick zum Himmel hinauf. Dort flogen wieder die Raben. Allmählich machten ihn die Biester nervös. Er fühlte sich von ihnen nicht nur beobachtet, sondern sogar bedroht, wenngleich er auch nicht sagen konnte, woher dieses Gefühl kam.
Aber dasselbe Gefühl sagte ihm auch, daß es unklug wäre, etwas gegen die beiden Vögel zu unternehmen.
Als er Zamorra und Nicole aus dem Land-Rover aussteigen sah, fragte er sich, was der Meister des Übersinnlichen jetzt plante. Er konnte einfach noch nicht die Zeit gehabt haben, sein Amulett wieder zu aktivieren. Das dauerte Stunden und kostete sehr viel Kraft.
Er mußte also etwas anderes versuchen. Aber was?
Als Leonardo den Dhyarra-Kristall in der Luft aufblinken ließ, begriff er.
Und er begriff auch, daß es vorbei war. Daran hatte er nicht gedacht. Daran konnte doch auch das Eysenbeiß-Bewußtsein nicht gedacht haben.
»Narr«, keuchte Leonardo. »Gegen den Dhyarra-Kristall hat das Ungeheuer keine Chance!«
Aber das Eysenbeiß-Bewußtsein machte sich nicht bemerkbar. Es reagierte nicht. Vielleicht war es derzeit im Verbund mit dem Amulett zu schwach. Immerhin hatte es in der letzten Zeit eine Menge Energie aufgewendet und abgestrahlt, die erst einmal wieder erneuert werden mußte.
Unter dem Poncho umklammerte der Fürst der Finsternis sein Amulett. Er versuchte es einzusetzen. Er mußte das Monster warnen. Egal, was geschah - es durfte sich nicht verleiten lassen, Zamorra jetzt anzugreifen.
Der mußte erst mit seinem Angriff ins Leere stoßen.
Aber das Amulett ließ sich nicht benutzen. Seine Energiereserven waren zu gering.
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