0436 - Sie müssen sterben, Mr. High!
hat.«
Ann Forth schüttelte geistesabwesend den Kopf.
»ich versteh? es nicht«, murmelte sie vor sich hin. »Ich verstehe es einfach nicht. Er hat niemandem was zuleide getan. Er war verträglich und kam mit allen Menschen gut aus. Wenn Sie von ihm irgendeine kleine Gefälligkeit erbaten, tat er es und freute sich wie ein kleines Kind, wenn man ihm dafür einen halben Dollar gab. Ich kann es einfach nicht begreifen.«
»So ist das immer«, seufzte ich müde. »Wenn man vor der Leiche eines Ermordeten steht, kann man es nie begreifen. Leute hassen sich, sie sind aufeinander neidisch oder eifersüchtig — aber wenn sie einen deshalb umgebracht haben und man steht vor der Leiche, dann kann man es nie begreifen.«
Das Mädchen betrachtete mich eine ganze Weile nachdenklich.
»Werdet ihr alles tun, um seinen Mörder zu finden?« fragte sie fast weich.
»Das versteht sich von selbst«, erwiderte ich. »Wir können uns nicht neben eine Leiche stellen und eine halbe Stunde weinen, nur um den anderen Leuten zu zeigen, daß es uns nahegeht. Aber glaub doch bloß nicht, daß wir Roboter wären. Ob Blick-Black nun ein Säufer war oder nicht, ob er ein guter oder ein schlechter Mensch war, das alles spielt keine Rolle. Mord bleibt Mord. Und ein Mörder darf nicht frei herumlaufen.«
»Ich glaube«, sagte das Mädchen leise, »ich glaube, ich hatte eine falsche Vorstellung von der Polizei.«
»Die haben viele Leute«, meinte ich. »Daran gewöhnt man sich mit der Zeit.«
»Wie wollen Sie den Mörder finden?«
»Wie üblich: Wir werden herumhorchen. Wir werden Blicks Leben unter die Lupe nehmen, seine Bekannten und Freunde, die Leute, mit denen er heute gesprochen hat, die Spuren, die von ihm zurückblieben. Irgendwo stolpert man da immer über irgendwas, das einen voranbringen kann.«
»Ich möchte Ihnen helfen«, sagte sie entschlossen. »Es ist das letzte, was ich für Blick-Black tun kann. Ich möchte Ihnen helfen, den Mörder zu finden.«
»Wenn du von dir aus anfängst, neugierige Fragen zu stellen, könnte es dem Mörder zu Ohren kommen«, warnte ich sie. »Laß die Finger von solchen heißen Eisen. Dafür sind wir da, und wir werden sogar dafür bezahlt. Wenn du aber etwas erfährst, was sich auf Blick-Black bezieht und was wir noch nicht wissen, dann solltest du mich verständigen. Jede winzige Kleinigkeit kann von Bedeutung sein. Hier hast du meine Karte. In der Zentrale weiß man immer, wo ich zu erreichen bin. Aber ich warne dich noch einmal: Werde nicht leichtsinnig! Halte Augen und Ohren offen, ja, aber unternimm nichts auf eigene Faust. Okay?« Sie sah mich ernst an. Ihre Augen waren jetzt gar nicht mehr hart.
»Ja«,’erwiderte sie betont, »ich habe es ganz genau verstanden. Wenn ich zufällig was hören sollte, rufe ich an. Ich — ich dachte bisher nicht, daß es auch nette Leute bei der Polizei gibt. So long, Mister.«
Sie stand auf und ging, ohne daß ich noch etwas hätte sagen können. Sie wirkte schlank und zerbrechlich, als sie das Lokal verließ. Ich sah ihr einen Augenblick nach, dann schüttelte ich ärgerlich den Kopf. Im Grunde, so schien es mir, war ich für nichts und wieder nichts zur Central Station und dann mit dem Mädchen zum Schauhaus gefahren. Es hatte uns nichts eingetragen. Dachte ich.
Aber auch ein G-man kann sich irren.
***
»Nein«, sagte Phil, als ich wieder bei ihm eingetroffen war. »Es ist überhaupt nichts von Bedeutung dabei herausgekommen. Wir haben mit ungefähr zehn Leuten geredet, die Blick-Black heute hier in der Kneipe gesehen und ein paar Worte mit ihm gewechselt haben. Aber das brachte uns keinen Millimeter weiter.«
»Was hast du jetzt vor?« erkundigte ich mich.
Phil sah mich ratlos an und zuckte die Achseln.
»Wenn ich das wüßte!« seufzte er.
»Komm!« sagte ich.
Wir verabschiedeten uns von Leutnant Easton, der noch mit der Vernehmung des Personals in der Kneipe beschäftigt war, und traten hinaus in die drückende Schwüle, die über New York und den ganzen Oststaaten lag, als hätte man sie mit einer Glocke darübergestülpt, so daß Hitze und drückende Atmosphäre sich nicht auflösen konnten.
Als wir mit dem Jaguar durch das Verkehrsgewühl schlichen, flimmerte die Luft über dem glutheißen Asphalt. Der helle Beton der Häuserwände schien einen ganzen Tag lang die Hitze der Sonne in sich eingesaugt zu haben, nur um sie jetzt am Abend genießerisch wieder von sich geben zu können. Spielende Kinder liefen fast nackt herum, und auch die
Weitere Kostenlose Bücher