0439 - Todesspiel in Samt und Seide
klang und fing an, zu begreifen.
»Wann verlassen Sie abends das Hospital?« fragte ich.
»Feste Zeiten gibt es da leider nicht«, meinte er. »Das hängt ganz von der vorliegenden Arbeit ab. Warum fragen Sie?«
»Nur so. Sie fahren stets allein ’raus?«
»Meistens mit meinem Assistenten.«
»Wer ist das?«
»Dr. Gerald.«
»Wer ist nachts hier?«
»Ich verfüge über ein Dutzend geschulte Pfleger«, erwiderte er.
»Wo ist Dr. Gerald jetzt?«
»Im Labor. Soll ich ihn rufen?«
»Nicht nötig. Ich spreche später mit ihm.« Ich schaute Turner an, dessen Hände unruhig über die Bettdecke glitten. »Schlechte Nachrichten für Sie, mein Lieber. Das Geld ist zum Teufel. Ich habe es in der vergangenen Nacht kassiert.«
»Welches Geld?« fragte er.
»Die vier Millionen. Die ganze Summe habe ich allerdings nicht auftreiben können. Es fehlen hunderttausend Dollar. Wissen Sie, was aus dem Rest geworden ist?«
Er schaute mich an, ohne zu blinzeln. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Geld verdirbt den Charakter«, sagte ich seufzend. »Das erlebt man besonders in Ganovenkreisen sehr häufig. Razer wurde von Fryland erschossen, der gern den Boß spielen wollte, und Fryland wiederum wurde von seinem Girl erledigt, das die vier Millionen reizten. Was sagen Sie nun?«
»Das sind Namen, die mir nichts bedeuten«, meinte Turner gleichmütig. Er hatte sich ausgezeichnet in der Gewalt.
Ich blickte French an. »Wie ist das, wenn Sie abends ’rausfahren? Wird ihr Wagen untersucht?«
Er lächelte matt. »Untersucht? Die nehmen ihn förmlich auseinander! Abend für Abend. Es ist jedesmal lästig, aber natürlich gewöhnt man sich allmählich daran. Wenn Sie glauben sollten, daß es möglich wäre, einen Gefangenen aus dem Hospital nach draußen zu schmuggeln, muß ich Sie enttäuschen. Das ist völlig ausgeschlossen!« Ich blickte Turner an. »Haben Sie mir etwas zu sagen?«
»Ja!« nickte er grimmig. »Good bye!« Ich grinste und ging mit French hinaus. »Ein Beruf ist das!« seufzte der Arzt. »Er bringt viel Ärger. Man muß schon eine dicke Haut haben, um mit diesen Burschen klarzukommen. Aber irgend jemand muß den Job ja übernehmen. Ich schreibe zur Zeit ein Buch. Es befaßt sich mit der Psyche der Gefangenen. Ohne meine Arbeit im Hospital wäre es ganz ausgeschlossen, das notwendige Material zu sammeln.«
Ich blieb stehen, weil wir an einer Tür vorbeikamen, auf der »Labor« stand. »Ich würde gern Ihren Assistenten begrüßen«, sagte ich.
Wir gingen hinein. Dr. Gerald war ein blasser Mittdreißiger, der das Aussehen und den Habitus eines Künstlers hatte: dichten, schwarzen Schnauzbart und dicke, ebenfalls schwarze Hornbrille. French besorgte die Vor-Stellung. Wir wechselten einige Worte, dann verließ ich mit French das Labor. »Der gute Gerald«, sagte French. »Er ist ein wenig scheu, wissen Sie. Aber sehr fleißig. Und enorm tüchtig.«
»Verheiratet?«
»Ja.«
»Und wie steht es mit Ihnen?« fragte ich.
»Sehr glücklich verheiratet«, meinte er lächelnd. »Ich habe zwei Kinder. Sie bedeuten mir alles.« Er blieb stehen und blickte mich an. »Spielen Sie doch mit offenen Karten, Mr. Cotton. Hinter jeder Ihrer Fragen verbirgt sich eine Absicht, nicht wahr?«
»Stimmt«, sagte ich. »Also gut, lassen Sie mich offen sein, aber nicht hier, im Korridor.«
Wir betraten sein Office und setzten uns. French schien etwas nervös zu sein. Unablässig rückte er an seiner Brille herum. »Ich bin wirklich neugierig, was Sie mir zu sagen haben«, meinte er.
»Ich halte es für denkbar, daß Sie und Gerald dem Häftling Turner die Flucht ermöglichten«, sagte ich ruhig.
»Wie bitte?« stammelte er. »Ich höre wohl nicht richtig? Sie sehen doch, daß Turner nicht geflohen ist…«
»Er war nur ein, zwei Tage draußen«, sagte ich. »Das war wohl so abgemacht. Da er seine Strafe sowieso bald ’rum hat, konnte er es sich leisten, wieder zurückzukommen.«
»Das können Sie nicht im Ernst glauben!« murmelte er. »Es wäre technisch nicht möglich gewesen.«
»O doch, sehr gut sogar«, meinte ich, »immer vorausgesetzt, daß Gerald und Sie mit von der Partie waren.«
Er atmete schwer. »Wir sind Beamte, Mr. Cotton. Ist Ihnen klar, was Ihr Vorwurf beinhaltet?«
»Es ist Ihnen vermutlich verdammt schwergefallen. Aber Sie wurden erpreßt, stimmt’s? Wahrscheinlich hat man Ihnen die Kinder entführt. Gerald hat man eine Rohe Belohnung versprochen. Sie sind sein Chef. Die Sorge um Ihre Kinder
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