0439 - Todesspiel in Samt und Seide
brachte Sie dazu, Gerald zu überreden…«
Er stützte die Ellenbogen auf die Schreibtischplatte und legte das Gesicht in die Hände. »Nein!« ächzte er. »Nein!«
»Es war ganz einfach. Turner wurde pro forma ins Hospital eingeliefert. Sie besorgten ihm einen Bart, der dem von Gerald ähnlich sah, und eines Tages nahmen Sie Turner mit nach draußen. Turner saß neben Ihnen, er hatte Geralds dicke Brille auf und einen falschen Bart unter der Nase. Der Posten, der die Ausweise kontrollierte, schenkte Ihnen und ,Gerald' nur einen flüchtigen Blick. Der Wagen wurde kontrolliert — und dann waren Sie mit dem falschen Gerald draußen. Ihr Assistent aber lag im Bett und sorgte dafür, daß bei der Abend- und Morgenzählung alles stimmte.«
»Wollen Sie mir bitte erklären, wo ich den Sinn eines solchen Ausbruchs sehen soll?« keuchte French. »Sie müssen für die Theorie doch eine Erklärung haben!«
»Gewiß, die habe ich«, sagte ich ruhig. »Razer hatte den Bankraub geplant. Er hatte dafür ein erprobtes Team parat, aber die Leute erklärten ihm rundheraus, das Ding nur unter Leitung ihres ehemaligen Chefs drehen zu wollen. Dieser Chef war Dick Turner, ein Experte für Bankjobs. Nur ihm und seiner Routine wollten sich Razers Leute anvertrauen. Razer blieb also nichts anderes übrig, als Turner aus dem Zuchthaus zu holen. Razer wußte, daß das einiger Kniffe und Erpressungen bedurfte, aber er war genau der Mann, der sich dafür die richtigen Methoden und Mittel einfallen ließ.«
French sackte plötzlich zusammen. Wäre er ein Verbrecher gewesen, ein Gangster aus Triebhaftigkeit und Veranlagung, hätte er beharrlich weitergelogen. Niemand hätte ihm nach weisen können, daß meine Theorie stimmte.
Aber French war kein Verbrecher, er war nur das Opfer einer skrupellosen Gangsterbande geworden. »Gerald und ich haben die Belohnung nicht angerührt«, würgte er hervor. »Das Geld liegt bei Gerald auf dem Dachboden, unter altem Gerümpel. Wir wollten nichts davon haben.«
»Um so besser«, meinte ich. »Die Bank wird sich freuen, die Hunderttausend in Empfang nehmen zu dürfen.«
Biggers alias Herford schnappten wir eine Woche später, zusammen mit Birdy, seiner Frau. Er führte uns zu Custers Leiche. Es war nicht ganz leicht, mit ihm zu verhandeln, aber im Endeffekt hatte er unserer Puste, unserer Routine und den klaren Beweisen nichts entgegenzusetzen. Phil und ich tippten den ganzen Tag wie besessen Berichte, Verhöre und Gutachten. Lieutenant Humber half uns dabei. Wir knackten jede Nuß. Nur bei Miß Gwynn hatten wir Pech. Wenn'sie Lust verspürte den Mund aufzumachen, tat sie es nur, um uns eine faustdicke Lüge aufzutischen, aber meistens schwieg sie. Phil und ich nahmen das nicht weiter tragisch. Die Beweiskette war ’ückenlos. Wir hatten die Story, wir hatten die Zeugen, und wir hatten die Mittel, das Mädchen dorthin zu bringen, wohin es gehörte.
Nichts konnte die davor bewahren, eines Morgens aus der Zelle geholt zu werden, um den Weg ohne Wiederkehr anzutreten. Es war ein Gedanke, der mir Magendrücken verursachte. Aber auch das gehörte zu meinem Job.
Magenleiden und Alka Seltzer — und das beruhigende Gefühl, bei einer schmutzigen Arbeit saubere Hände behalten zu haben.
ENDE
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