044 - Der Teufelseid
dreißig Meter hohe Felswand bis zur Grundmauer des Klosters mühelos. Nun wusste er aber nicht sofort, wie es weitergehen sollte.
Der Mönch hatte ihm geraten, es bei einer Mauervertiefung zu versuchen, die sich wie ein Kamin bis zu dem Holzgebälk hochzog, das die weit vorspringenden Erker stützte.
Er wollte sich aber nicht mit der Suche nach diesem Kamin aufhalten, deshalb wählte er eine Stelle aus, an der sich zwischen dem Steingemäuern breite Rillen befanden und einige Steine ausgebrochen waren. Er dankte den Mönchen im Stillen, die dieses Kloster verwahrlosen ließen. Das kam ihm bei seiner Klettertour zugute.
Obwohl er immer wieder irgendwo Halt für Hände und Füße fand, schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis er den ersten Holzbalken erreichte.
Er schwang sich rittlings hinauf und legte eine kurze Verschnaufpause ein. Dann kletterte er weiter.
Jetzt kam er viel schneller voran, denn die Holzbalken boten ihm einen besseren Halt als die Steinmauer. Er kletterte beinahe wie auf einem Gerüst hinauf.
Schwierig wurde es nur, als er das Ende des Gebälks erreichte und sich auf einen Mauervorsprung hochziehen musste, auf eine Art steinernes Sims, das den Erker in dieser Höhe umlief und auf dem die Stützbalken des nächsthöheren Erkers standen.
Einen Atemzug lang hing er an den Händen frei in der Luft. Aber unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm, ein Bein weit genug zu heben, um sich damit am schräg aufwärtsstrebenden Balken hochzuziehen.
Bevor er es riskieren wollte, noch höher zu klettern, balancierte er zum Ende des Gebälks. Er hatte von unten ein kleines Fenster gesehen, durch das er vielleicht ins Innere des Klosters gelangen konnte.
Er erreichte das Fenster und stellte erleichtert fest, dass es fünfzig Zentimeter im Quadrat maß und er nur die Hand auszustrecken brauchte, um sich am Rahmen festhalten zu können.
Nachdem er lange auf Geräusche von drinnen gelauscht hatte, jedoch nichts hörte, fühlte er sich sicher genug, um es zu wagen, in das Gebäude einzudringen.
Noch einmal schwebte er, sein Gewicht nur mit den Armen tragend, über dem Abgrund. Dann ließ er sich durch das Fenster fallen und fing den Aufprall mit den Händen ab.
Er tastete sich durch den finsteren Raum bis zu einer Tür vor, öffnete sie fast geräuschlos und kam auf einen schmalen, langen Korridor hinaus, an dessen Ende eine Fackel brannte.
Von weitem hörte er seltsame Geräusche, die ihm jedoch nicht unbekannt waren, denn er hatte schon früher Sabbate und schwarze Messen erlebt. Und doch konnte er sich an die Vorgänge dabei und an die von den Dämonen verursachten Geräusche nicht gewöhnen.
Ein Sabbat würde für ihn immer etwas Fremdartiges, Unverständliches, Unheimliches bleiben.
Er ging den Gang bis zu einer Treppe entlang, schlich diese hinunter.
Plötzlich war ihm, als sei er nicht mehr allein. Jemand war in der Nähe oder näherte sich ihm, obwohl er keine Schritte oder andere verräterische Geräusche hörte. Sein ausgeprägter Instinkt sagte ihm, dass noch jemand da war.
Er machte sich auf alles gefasst. Er war gewappnet. Er hatte längst schon die Spezialpistole, die mit Silberkugeln geladen war, gezogen. Mit Silber war zwar nicht jeder Dämon zu töten, aber zumindest solange zu bannen, bis der Dämonenkiller Gelegenheit gefunden hätte, eines seiner anderen Instrumente einzusetzen, die er bei sich trug.
Er hatte improvisieren müssen, weil er keine vollständige Ausrüstung nach Athos mitgenommen hatte. Wer konnte auch mit einem Sabbat in der Klosterrepublik rechnen? Aber einige Holzpfähle und einen Dolch hatte er sich besorgen können. Und er hatte auch seine Dämonenbanner und das Foto von Coco aus besseren Tagen. Wenn er es verbrannte, würde auch sie in einem magischen Feuer vergehen.
Da war jemand!
Jetzt war er sich ganz sicher. Er wusste nur nicht, aus welcher Richtung der Dämon kam, weil er sich weder an einem Schatten, noch an Geräuschen orientieren konnte.
Plötzlich tauchte eine Gestalt im Korridor auf. Lautlos, als schwebte sie über den Boden, schritt sie leichtfüßig einher. Den Kopf stolz erhoben, das Gesicht ausdruckslos, das schwarze Haar weit über die Schultern fallend.
Die grünen Augen aber blickten stumpf.
Sie trug ein rotes Zeremoniengewand.
Coco!
Jetzt entdeckte sie ihn.
»Dorian!«, rief sie. »Hat mein Rufen Phillip also doch erreicht! Halte aus, Dorian. Schreite nicht ein. Ich muss weiter, bevor Olivaro Verdacht schöpft.«
Er stand noch immer
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