044 - Der Teufelseid
leuchtendes Gesicht, dass wie in masochistischer Qual verzerrt war.
Langsam drehte Magus VII. den Kopf nach links, zuerst um neunzig Grad, und so verharrte er eine Weile. Dann machte der Kopf einen Ruck und drehte sich weiter nach hinten.
Dorian glaubte, dass die Zeit stillstehe. Es herrschte absolutes Schweigen. Die Luft wirkte hart und gläsern, wie gefroren.
Und Olivaros Kopf drehte sich weiter, genau um 180 Grad, bis sein Gesicht auf dem Rücken war und sein Haar vorn.
Dorian wartete gespannt, was nun kommen mochte, und die Dämonen warteten mit ihm.
Olivaros Haar teilte sich – und zum Vorschein kam ein zweites Gesicht! Das also war Olivaros Geheimnis. Er besaß einen Januskopf mit zwei Gesichtern.
Das eine Gesicht, das er zeigte, war eine Larve. Sein wahres Gesicht, die Inkarnation des Bösen, trug er unter dem Haar versteckt.
Und in dieses Gesicht blickte Dorian jetzt. Es war grünlich und knochig, aber nicht wie ein Totenschädel, sondern eher wie die Idealisierung eines solchen. Es war auch nicht furchterregend, nur streng und majestätisch und hatte etwas Erhabenes an sich. Aber es besaß keine Persönlichkeit, nichts, was man mit Grübeln erfassen konnte. Es war kalt. Kalt und von einer grausamen Strenge.
Die Augenhöhlen waren leer. Nein, nicht eigentlich leer, sondern in ihnen wohnte nur eine unergründliche Schwärze. Und darüber wölbte sich eine hohe Stirn mit einem knöchernen V-Zeichen. Ein V aus Knochen, wie es auf den Abbildungen immer der Mund des Teufels bildete. Aber Olivaro hatte nichts von einem Teufel an sich, sondern mehr von einem antiken Gott.
Ein strenger Rachegott! Die hohe Stirn wurde von einer Art lila Heiligenschein begrenzt, über den das nun schlohweiße Haar hinausragte.
Dies war also der echte Olivaro. In seinem wahren Gesicht spiegelte sich auch seine Macht. Mit seinen zwei Gesichtern war er der Dämon des Zwiespalts, der vorn Wohlwollen vortäuschen konnte, während sein hinteres, verdecktes Gesicht das Böse personifizierte. Der Dämon des Anfangs und des Endes.
Ein würdiger Fürst der Finsternis – nur fehlte ihm das Charisma des Führers. Ihn mochten selbst Dämonen fürchten, und wollten sich ihm aus diesem Grund nicht ausliefern.
Macht allein machte noch keinen Fürsten der Finsternis.
»Im Namen des Bösen – lasst mich nun meine Gefährtin krönen.« Olivaros Stimme hatte nichts Kränkliches mehr an sich. Sie war voll und stark. Das Kloster erbebte in seinen Grundfesten. Magus VII fuhr fort, indem er besitzergreifend Coco an sich zog: »Hier ist eine Hexe von echtem schwarzem Geblüt. Sie kam einst vom Wege ab, aber sie ist reumütig zu uns zurückgekehrt, und nun wollen wir sie mit allen Ehren in unserer Schwarzen Familie wieder aufnehmen. Nach diesem Ritual wird sie von dem Schmutz der Sterblichen gereinigt sein.
Ich werde ihr den Eid abnehmen, den Eid, mit dem sie der Liebe und dem Glauben an das Gute abschwört, den Eid, der sie stark machen wird für den Hass und das Böse. Den Eid, durch den sie all dem abschwört, an das sie bis jetzt geglaubt hat.«
Dorian war bereit. Er wollte Cocos Foto verbrennen, wenn Olivaro glaubte, nun endgültig von ihr Besitz ergriffen zu haben. Wenn der Fürst der Finsternis die Hand nach ihrer Seele ausstreckte, um sie zwischen seinen Krallen zu ersticken – dann würde er das Foto anzünden und sich an dem Anblick weiden, den ihm die brennende Hexe bot.
Der Dämonenkiller ließ sich nicht von dem Heulen und Spuken über seinem Kopf beirren. In diesem Augenblick konnte ihm nichts Angst einjagen.
Seine Zeit war gekommen.
Er merkte, wie aller Dämonen Augen auf Coco gerichtet waren. Noch immer war nichts von der Diabolik, von der obszönen Ekstase an ihr zu merken, die für diesen Moment angebracht gewesen wäre und die die Dämonen von ihr erwarteten.
Sie trug Trauer zur Schau und ließ die Schultern sinken. Der Aufputz an ihrem Gewand wirkte plötzlich so fehl am Platz wie ein Faschingskostüm bei einem Begräbnis.
Die Dämonen wurden unruhig, doch Olivaro wartete gelassen ab. Sein Januskopf zuckte nur leicht, als könne er sich nicht entschließen, welches Gesicht er zur Schau stellen solle. Er hielt sich gut in der Gewalt, aber nun machte sich auch bei ihm leichte Ungeduld bemerkbar.
»Phillip, Phillip, deinen Kopf!«, kreischte die geschlechtslose Hexe.
Das schien den Bann von Coco zu nehmen.
»Ich kann nicht«, sagte sie. »Nicht hier und jetzt. Nicht zu dieser Stunde und an diesem Tag!«
Dorian
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