044 - Der Todesschwarm
Unvorhergesehenes? Aber bitte – so treten Sie doch ein. Es ist ungemütlich, große Dinge zwischen Tür und Angel zu besprechen. Um große Dinge handelt es sich ja wohl. Jedenfalls entnehme ich das Ihrer ernsten Miene.“ Er verneigte sich leicht vor Patsy. „Fein, dass Sie mitgekommen sind, Miss Colder. Ihre Anwesenheit wird mir die Eröffnungen Ihres Verlobten bestimmt nur halb so schlimm erscheinen lassen – was es auch sein mag.“
Ronald schob sich an den beiden Männern vorbei.
Scheinheiliger Kerl, dachte er wütend, tut grade so, als wüsste er von nichts. Na, warte – dir werde ich helfen!
Dr. Hillary führte die Besucher in ein elegant eingerichtetes Wohnzimmer.
„Bitte, setzen Sie sich.“
Patsy nahm in einem tiefen Sessel Platz und schlug graziös die schlanken langen Beine übereinander.
Ronald blieb stehen.
„Wollen Sie etwas trinken? Einen Whisky oder Gin mit Soda? Oder etwas anderes?“
„Nein, danke“, knurrte Ronald.
„Aber Sie wenigstens, Miss Colder.“
„Danke nein – nicht um diese Zeit.“
Dr. Hillary nahm in einem Sessel Platz und sah Ronald fragend an.
„Nun, Mr. Marvin – was führt Sie zu mir?“
„Ihr Untersuchungsergebnis“, sagte der Reporter zornig.
Dr. Hillary lachte. „Das ist mir nicht neu – das weiß ich schon seit gestern. Aber sprachen Sie vorhin nicht von etwas Unvorhergesehenem?“
„Ja, Doktor“, sagte Ronald und warf ihm die Zeitung zu, „das da!“
Geschickt fing der Arzt die Zeitung auf. „Was soll ich damit?“
„Lesen Sie, Doktor – Seite zwei, links oben.“
Dr. Hillary blätterte die erste Seite um. Beim Anblick des Artikels runzelte er die Stirn.
Er überflog ihn, legte die Zeitung auf seine Knie und blickte Ronald und seine Verlobte abwechselnd verwundert an.
„Von wem stammt dieser Bericht, Mr. Marvin?“
„Das müssen Sie schon sich selbst fragen“, antwortete Ronald scharf, „ich bin jedenfalls sicher – von Ihnen, Doktor.“
Der Arzt erhob sich langsam.
„Brauchen Sie mich noch, Sir?“ fragte der Diener, der an der Tür stehengeblieben war.
„Nein, danke, Marty.“
Der Doktor wartete, bis der Butler den Raum verlassen hatte.
„Sie scherzen, Mr. Marvin.“ Bei diesen Worten huschte ein amüsiertes Lächeln über sein Gesicht. „Ich habe diese Meldung nicht veranlasst – mein Wort darauf.“
„Sie lügen“, entfuhr es Ronald. „Zum Zeitpunkt, als die Meldung zur Zeitung gelangt sein muss – also gestern Abend – hätten nur Sie das endgültige Untersuchungsergebnis wissen können, Doktor – niemand sonst.“
„Es stimmt, dass ich die Leiche Gloria Barnebys gestern Abend noch untersuchte und auch meinen Bericht fertigstellte – aber die Information für die Presse stammt trotzdem nicht von mir.“
Ronald starrte ihn misstrauisch an. „Sie behaupten also …?“
„Ich behaupte gar nichts, Mr. Marvin – ich sage nur die Wahrheit“, fuhr der Doktor auf. „Aber in der Tat – die Meldung hätte von mir stammen können. Die Todesursache stimmt haargenau mit meinem Untersuchungsergebnis überein.“ Er wanderte unruhig im Zimmer auf und ab. „Ich konnte Ihnen leider den Gefallen nicht tun und ebenfalls an Vampire oder dergleichen glauben. Schon gar nicht an Ihren berühmt-berüchtigten Insektenschwarm. Die Tatsachen sprachen einfach dagegen.“
Ronald schwieg. Auch wenn sie aus dem Mund eines erfahrenen Fachmannes kamen, so sträubte sich doch alles in ihm dagegen, den Worten Dr. Hillarys Glauben zu schenken.
„Wann wird sie beerdigt?“ fragte Patsy.
„Morgen früh um neun“, gab der Arzt Auskunft. „Die Umstände ihres tragischen Todes sind aufgeklärt. Ich sehe keinen Anlass, die bedauernswerte Miss Barneby länger als unbedingt nötig um ihren ewigen Frieden zu bringen.“
„Kann ich Ihren Bericht einmal sehen, Doktor?“ fragte Ronald.
Der Arzt blieb vor ihm stehen. „Leider nicht, Mr. Marvin – Marty brachte ihn bereits vor einer Stunde zu Sergeant Priston. Besser gesagt, er hinterlegte ihn im Büro, denn er konnte den Sergeanten nirgends antreffen.“
„Was heißt das?“
„Nun, Sergeant Priston saß nicht in seinem Büro. Vielleicht schlief er noch – wer weiß.“
„Hat Ihr Butler ihn denn nicht wenigstens in seiner Wohnung aufgesucht?“
„Wo denken Sie hin? Marty weiß schließlich, was sich gehört – ohne Aufforderung würde er nie eine fremde Wohnung betreten. Er rief ein paarmal leise, aber der Polizist schien ihn nicht gehört zu haben – sofern er
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