044 - Der Todesschwarm
mich mit elektrochemischen Strömen im menschlichen Gehirn beschäftige. Wollen Sie sich ihn ansehen?“
Ronald zögerte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. „Ein andermal vielleicht – ich muss jetzt erst herauskriegen, wer hinter diesem Artikel steckt.“
Er durchquerte das spartanisch eingerichtete Arbeitszimmer des Arztes und trat durch die offene Glastür auf den Balkon hinaus. Er beugte sich über die Brüstung und starrte angestrengt auf die Wiese hinunter.
„Können Sie etwas entdecken?“ fragte der Arzt und trat hinter ihn.
„Ich glaube, da unten sind Fußabdrücke.“ Er drehte sich um, lief durchs Haus ins Freie und untersuchte die Abdrücke.
„Tatsächlich – hier ist jemand heruntergesprungen“, rief er zu Dr. Hillary hinauf, der vom Balkon aus zusah, „sonst wären die Absätze nicht so tief in den Boden gedrungen.“
„Augenblick – wir kommen herunter“, rief der Doktor. „Das muss ich mir näher ansehen.“
Sekunden danach standen Dr. Hillary, Patsy und der Butler Marty neben Ronald und betrachteten die Wiese.
„Marty hat also keine Gespenster gesehen“, stellte Dr. Hillary nachdenklich fest und richtete sich auf. „Ich frage mich nur: Was für ein Interesse hat der Mann, mein Untersuchungsergebnis so rasch wie möglich in die Zeitung zu bringen, Mr. Marvin?“
„Offensichtlich kommt ihm Ihre Diagnose sehr gelegen, Doktor. Er will sicherlich, dass alle Welt glaubt, Gloria Barneby wäre an einer Krankheit gestorben.“
„Zweifeln Sie etwa immer noch daran?“
„Eine Gegenfrage, Doktor: Ist Ihnen in Ihrer ganzen Laufbahn als Arzt noch kein Fehler unterlaufen? Haben Sie noch nie irrtümlicherweise eine Fehldiagnose gestellt?“
Dr. Hillary blitzte ihn ärgerlich an. „Nein, Mr. Marvin“, sagte er scharf, „ich habe mich noch nie geirrt – merken Sie sich das! Jeder Arzt in Dublin kann Ihnen das bestätigen.“
„Darf ich Ihnen etwas vorschlagen?“
Der Arzt sah ihn misstrauisch an. „Bitte – aber fangen Sie jetzt nicht wieder mit Ihrer Insektentheorie an.“
„Nein – etwas anderes. Untersuchen Sie die Tote noch einmal und ziehen Sie einen Kollegen hinzu.“
„Was fällt Ihnen ein, Mister“, rief der Doktor erbost. „Sie merken wohl gar nicht, wie sehr Sie mich mit Ihrem Vorschlag beleidigen, wie?“
„Schon gut – schon gut“, sagte Ronald beschwichtigend, „es handelte sich ja nur um einen Vorschlag.“
„Einen sehr dummen, Mr. Marvin.“
Ronald schwieg. Er konnte es sich nicht leisten, sich diesen Mann zum Feind zu machen. Er brauchte ihn, denn mit seiner Hilfe hoffte er, der Lösung des Rätsels um Glorias Tod näherzukommen.
Er beobachtete Dr. Hillary unauffällig. Ein eigensinniger Kerl, dachte Ronald. Er ist von der Richtigkeit seiner Diagnose so hundertprozentig überzeugt, dass es für ihn nicht den leisesten Zweifel daran gibt. Aber ich kann und will nicht glauben, dass Gloria an einer Krankheit gestorben ist. Da steckt mehr dahinter – viel mehr. Das beweist schon die rege Tätigkeit dieser geheimnisvollen Gestalt. Aber wie kann ich nur den Doktor davon überzeugen, dass er sich irrt? Mit Theorien allein ist ihm nicht beizukommen. Ich brauche Beweise – handfeste Beweise, damit er seinen Irrtum einsieht. Ich muss herauskriegen, wer hinter diesem seltsamen Unbekannten steckt. Aber wie? Der Kerl ist wie ein Phantom. Er taucht auf – im nächsten Moment ist er schon wieder verschwunden. Nun, vielleicht erfahre ich bei der Zeitung mehr über ihn.
„Fahren wir nach Wexford, Patsy“, sagte er laut.
Dr. Hillary runzelte die Stirn. „Was wollen Sie dort?“
„Nun, vielleicht gelingt es mir, bei der Zeitung mehr über den geheimnisvollen Burschen zu erfahren.“
„Ach so. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Mr. Marvin. Bitte, halten Sie mich auf dem laufenden. Ich bin an der ganzen Sache trotz allem sehr interessiert – vergessen Sie das nicht.“
„Ich werde es mir merken“, versprach Ronald.
Dr. Hillary sah den beiden lange nach, dann wandte er sich um und ging langsam ins Haus.
Im Wohnzimmer ließ er sich seufzend in einen Sessel fallen, streckte die Beine gemächlich aus und sah gelangweilt aus dem Fenster.
Nach einer Weile erschien der Butler.
Der Doktor warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. „Marty“, sagte er mit tiefgründigem Lächeln, „Sie können jetzt servieren.“
„Was hältst du von Dr. Hillary, Ron?“ fragte Patsy unterwegs. „Also, mir ist er irgendwie unheimlich. Hast du seine Augen
Weitere Kostenlose Bücher