044 - Die Millionengeschichte
geordnet hatte.
Dann sah er auf seine Uhr. Für Faith war es noch zu früh; er hatte mit ihr verabredet, daß er sie am Abend im Park treffen wollte.
Achtzehn Monate waren vergangen, und er hatte seine Geschichte, die damals durch Harry Léman unterbrochen wurde, noch nicht zu Ende erzählt. Aber das Ende war jetzt bedeutend schwieriger zu erzählen, nachdem er seine Stellung verloren hatte. Trotzdem machte ihm das im Augenblick keine zu großen Kopfschmerzen, denn plötzlich kam ihm ein Gedanke.
»John Sands!« rief er. »Den muß ich jetzt sprechen.«
Er nahm ein Telefonbuch und suchte Sands' Adresse. Zehn Minuten später klingelte er schon an seiner Haustür. Der selbstzufriedene, ruhige junge Mann war allein und legte an einem Tisch in der Nähe des Fensters Patience, als Jimmy ankam.
»Kommen Sie herein«, rief er vergnügt. »Ich bin Ihnen zwar noch nicht vorgestellt, aber ich kenne Sie. Ihr Name ist doch Cassidy?«
»Ja, so heiße ich, und ich möchte Sie bitten, mir ein paar Minuten Gehör zu schenken. Ich weiß wohl, daß Ihre Zeit sehr wertvoll ist.«
Mr. Sands sah auf die Karten, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und lachte.
»Sie brauchen deshalb nicht ironisch zu werden«, erwiderte er lächelnd. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich will Ihnen alles offen sagen«, erklärte Jimmy. »Ich bin ein Berichterstatter der ›New York Mail‹.«
Sands nickte. »Mr. Léman hat mir davon erzählt.«
»Nun gut, dann muß Mr. Léman erfahren, daß ich wegen seiner Heiratsgeschichte entlassen worden bin.«
»Was hat denn seine Heiratsgeschichte damit zu tun?«
»Mein Konkurrent von der ›New York Post‹ hat die Geschichte zuerst veröffentlicht, und ich bin daher jetzt meine Stellung los. Ich frage Sie nun, Mr. Sands: Ist es wahr, daß Harry Léman verheiratet ist?«
»Unter diesen Umständen«, entgegnete Mr. Sands, »will ich nicht abstreiten, daß er nicht verheiratet ist.«
»Heißt das nun, daß er verheiratet ist oder etwas anderes?« entgegnete Jimmy ungeduldig.
»Ich kann Ihnen auch nicht mehr erzählen als das, was Mr. Léman seinen besten Freunden sagt.«
Jimmy erhob sich.
»Ich sehe, daß ich mich in Ihnen getäuscht habe. Ich dachte, Sie würden mir eine wirklich brauchbare Auskunft geben. Der Berichterstatter der ›New York Post‹ hat in seinem Blatt geschrieben, daß sich Harry Léman eine Woche nach meiner Abreise von London vor achtzehn Monaten tatsächlich trauen ließ.«
»Das ist immerhin möglich«, meinte Mr. Sands und zuckte die Schultern. »Ich bin ein Freund Mr. Lémans und kann wohl sagen, sogar ein sehr guter Freund, aber er bespricht seine Privatangelegenheiten weder mit mir noch mit einem anderen. Ich kann Ihnen daher auch nichts anderes mitteilen, als was der amerikanische Millionär den Presseleuten erzählt hat.«
»Und das ist so gut wie gar nichts«, erwiderte Jimmy verzweifelt.
»Ja, praktisch läuft es darauf hinaus«, gab Sands gelassen zu.
Jimmy hatte ja auch nur wenig Hoffnung darauf gesetzt, daß John Sands die Geheimnisse seines Freundes preisgeben würde. Er hatte eigentlich an Sands noch weitere Fragen stellen wollen, aber er hatte eine Verabredung, die er unter keinen Umständen versäumen durfte, selbst wenn er noch soviel Informationen für seine Zeitung erhalten konnte.
Faith Léman wartete am Eingang eines Londoner Parks auf ihn, und sie gingen zusammen die gutgepflegten Wege entlang. Eine Zeitlang vergaßen sie ihre Sorgen und Schwierigkeiten.
Während der vergangenen achtzehn Monate hatten die beiden einen regen Briefwechsel miteinander unterhalten. Nach seiner langen Abwesenheit von London hatten sie sich nun wieder getroffen, und sie fanden, daß sie sich nicht, höchstens zum Besseren, verändert hatten. Faiths reizendes Aussehen fesselte Jimmy mehr denn je, als er sie wiedersah, und er grollte dem Schicksal, daß es ihm neue Hindernisse für die Erreichung seiner Ziele in den Weg legte. Diese achtzehn Monate hatte er von nichts anderem geträumt als von Faith und einem gemeinsamen Lebensglück mit ihr. Und sie sah, daß er gereifter und zielsicherer geworden war, und freute sich, daß sie jemand hatte, dem sie all ihren Kummer anvertrauen konnte. Den großen Entschluß, den Jimmy gefaßt hatte, mußte er ihr noch mitteilen, aber glücklicherweise gab es noch andere Mittel und Wege, als sich durch Worte zu verständigen.
Sie gingen zusammen tief in den Park hinein, bevor er an seinen eigenen Kummer dachte.
»Ach, ich muß Ihnen noch
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