044 - Peckinpahs Höllenflug
Augen quollen hervor, Schaum tropfte aus seinem Mund, und mit dem letzten Funken seines Verstandes glaubte er zu wissen, daß er sterben würde.
Er konnte nicht ahnen, daß er das Ziel einer schwarzmagischen Attacke war. In ihm donnerte plötzlich eine gewaltige Stimme:
»Kein Wort! Du erwähnst mit keiner Silbe mehr, was du gesehen hast! Vergiß Tansul, die Lavabestie! Vergiß, was geschehen ist! Schweige, Giuseppe Mescari! Schweige!«
Abermals traf den Fischer ein schmerzhafter Schlag. Der Mann schrie wieder gequält auf, verlor das Bewußtsein und brach zusammen.
Kälte weckte ihn, und Schläge auf die Wangen. Er schlug die Augen auf und blickte in das hübsche Gesicht seiner schwarzhaarigen Tochter.
»Vater… Madonna mia …!« stieß das Mädchen aufgeregt und in höchstem Maße besorgt hervor. »Du kannst dir nicht vorstellen, was du mir für einen Schrecken eingejagt hast. Ich kam nach Hause und sah dich auf dem Boden liegen. Ich dachte … Dio mio, ich kann es kaum aussprechen. Ich dachte, du wärst … tot.«
Giuseppe Mescari sah sich verwirrt um. »Hilf mir aufzustehen!«
verlangte er.
Claudia zerrte den schweren Brocken ächzend hoch. Er fuhr sich mit der Hand über die dicke Knollennase und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was passiert war.
Was hatte ihn umgehauen? Er war noch nie ohnmächtig gewesen.
Das war für ihn ein ganz neues Erlebnis.
Natürlich roch Claudia seine Grappafahne und zog ihre Schlüsse.
»Warum hast du so viel getrunken?« fragte sie ihren Vater mit unüberhörbarem Vorwurf in der Stimme.
»Ich habe nicht mehr getrunken, als ich vor meinem Gewissen verantworten kann«, gab Mescari barsch zurück. Er setzte sich an den Tisch. »Hast du deinen Vater schon jemals betrunken gesehen? Hast du das?«
»Nein«, mußte das Mädchen zugeben.
»Giuseppe Mescari ist kein Säufer, merk dir das!«
»Aber du warst ohnmächtig… Soll ich Dr. Tacci holen?«
»Ich brauche keinen Arzt«, sagte der Fischer so unwirsch, daß ihn seine Tochter erschrocken ansah. Diesen Ton kannte sie nicht bei ihrem Vater.
Er war normalerweise immer freundlich und nett zu ihr, nie hörte sie von ihm ein scharfes, geschweige denn böses Wort. Hatte ihn das Erlebnis auf dem Meer verändert?
Er hatte ihr davon berichtet, und sie glaubte ihm, weil er sie noch nie belogen hatte. Aber es fiel ihr nicht leicht, diese furchtbare Geschichte als Wahrheit zu akzeptieren.
Jedem anderen Fischer hätte sie das nicht abgenommen, aber Giuseppe Mescari log nicht. Er blieb immer bei der Wahrheit.
»Bring den Grappa!« verlangte er nun.
»Glaubst du nicht, daß du schon genug getrunken hast, Vater?«
Mescari schlug zornig mit der Faust auf den Tisch. »Was nimmst du dir mir gegenüber heraus, maledetto? Ich bin dein Vater! Du hast zu gehorchen!«
»Ich meine es doch nur gut mit dir. Zuviel Grappa schadet dir.«
»Laß das meine Sorge sein. Her mit der Flasche!«
Claudia war wie vor den Kopf geschlagen. Wie konnte sich ein Mensch so sehr verändern? Sie glaubte, einen Fremden vor sich zu haben.
Das war nicht mehr ihr gütiger, liebender Vater. An diesem Tisch saß ein fremder Mann, der Wutanfälle bekam, wenn sie nicht wie ein dressierter Hund gehorchte.
Sie öffnete widerwillig den Schrank und brachte ihrem Vater die Schnapsflasche. Er stieß den Zeigefinger auf die Tischplatte.
»Solange du in meinem Haus wohnst, tust du das, was ich sage, verstanden?«
»Ja, Vater.«
Er goß sich sein Glas voll. Claudia beobachtete ihn dabei mißbilligend.
»Es ist wegen dieses Erlebnisses, nicht wahr?« sagte sie und setzte sich zu ihm.
Er blickte sie durchdringend an, und in seinen Augen war ein Ausdruck, der das Mädchen erschreckte. So verändert war er vor einer Stunde noch nicht gewesen.
Was war während ihrer Abwesenheit passiert?
»Wegen welchen Erlebnisses?« fragte Giuseppe Mescari unwirsch.
»Ich kann mir vorstellen, daß du daran nicht erinnert werden willst, Vater«, sagte Claudia sanft. »Du möchtest vergessen, aber glaube mir, der Grappa ist nicht der richtige Weg.«
»Ich trinke den Schnaps, weil er mir schmeckt, aus keinem anderen Grund!« behauptete der Fischer.
»Man bewältigt ein Problem besser, wenn man mit jemandem dar- über redet«, bot ihm seine Tochter an.
»Ich habe kein Problem.«
»Und was ist mit dem Monte Fuoco?«
»Was soll damit sein? Nichts.«
»Du warst auf dem Meer, und der Feuerberg brach aus. Zuerst sahst du den Rauch, und dann schoß ein gewaltiges Ungeheuer aus
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