044 - Peckinpahs Höllenflug
Gedanken zu Ende zu denken.
Vicky begleitete mich nach Palermo, denn ihr ging Peckinpahs Schicksal genauso nahe wie mir.
Ich würde nicht ruhen, bis ich wußte, wo das Flugzeugwrack lag und was aus meinem Partner und seinen Freunden geworden war.
Vielleicht konnte ich ihm einen letzten Dienst erweisen, indem ich dafür sorgte, daß er nach England zurückgebracht und in heimatlicher Erde begraben würde.
Mein Magen krampfte sich bei diesem Gedanken schmerzhaft zusammen. Ich ließ vor meinem geistigen Auge die vielen Stationen Revue passieren, die ich gemeinsam mit Peckinpah hinter mich gebracht hatte.
Wir hatten uns kennengelernt, als der Blutgeier Paco Benitez in Spanien Peckinpahs Frau Rosalind tötete. Es lag eine Ewigkeit zurück.
Viel Wasser war seitdem die Themse hinuntergeflossen, und vieles war geschehen. Peckinpahs weitreichende Verbindungen waren mir oft eine große Hilfe gewesen. Sich selbst hatte er nun nicht helfen können.
Wir waren von Mr. Silver also von Wien nach Palermo umdirigiert worden, stiegen im »Ritz« ab und hinterließen für den Ex-Dämon auf dem Flughafen eine diesbezügliche Nachricht.
Als nächstes legte ich mir einen knallroten Leih-Maserati zu und suchte mit Vicky das Polizeipräsidium auf. Meine blonde Freundin erregte allseits großes Aufsehen.
Die feurigen Italiener überschlugen sich ihretwegen vor Freundlichkeit, und ein wenig davon fiel auch für mich ab. Wir erfuhren von einem Fischer namens Giuseppe Mescari. Er sollte auf dem Meer den Verstand verloren haben – so vermutete man jedenfalls, denn er sprach von einem erloschenen Vulkan, dem Monte Fuoco, der wieder aktiv geworden sei.
Daß aus seinem Krater Rauch stieg, hätte man ihm durchaus geglaubt. Daß er in diesem Rauch aber ein Ungeheuer von monströsen Ausmaßen gesehen haben wollte, hielt man für ein Hirngespinst.
Ich teilte die Meinung nicht mit den Beamten, denn Giuseppe Mescari hatte auch gemeldet, daß dieses schreckliche Ungeheuer ein Flugzeug vom Himmel heruntergeholt hätte.
Ich konnte verstehen, daß man dies als Humbug abtat. Die Polizeibeamten hatten eben nicht erlebt, was mir schon alles untergekommen war. Ich hatte ein völlig anderes Verhältnis zu solchen haarsträubenden Geschichten und wußte aus Erfahrung, daß viele leider auf Wahrheit beruhten.
Man gab mir Mescaris Adresse. Er wohnte nicht in Palermo, sondern in Capo d’Orlando.
Das Dorf lag – grob geschätzt – in etwas mehr als hundert Kilometern Entfernung. Eine Kleinigkeit mit dem Maserati. Wir beschlossen, sofort loszufahren.
»Wenn wir zurückkommen, ist Silver da«, sagte ich und stieg in den roten Flitzer.
»Hoffentlich lohnt sich die Fahrt«, sagte Vicky Bonney, während sie sich auf den Beifahrersitz fallen ließ.
»Der Fischer hat ein gewaltiges Ungeheuer gesehen, das ein Flugzeug vom Himmel holt«, sagte ich und startete die kräftige Maschine. »Peckinpahs Flugzeug! Die Polizei kann mit einer solchen Meldung nichts anfangen. Aber ich. Man hat sich bestimmt nicht alles angehört, was Giuseppe Mescari zu erzählen hatte. Von uns bekommt er die Gelegenheit, das Ganze noch einmal zu wiederholen, und wir werden ihm jedes Wort glauben… Lakritze?« Ich hielt meiner Freundin die Bonbons hin. Sie bediente sich, ich nahm mir auch eines, steckte die Packung ein und fuhr los.
Wie in allen italienischen Städten herrschte auch in Palermo das totale Chaos. Sonderbarerweise steckte hinter diesem heillosen Durcheinander trotzdem ein System.
Wenn man das erstmal begriffen hatte, fand man sich ganz gut in dem Tohuwabohu zurecht. Regel Nummer eins im italienischen Straßenverkehr: Nicht bremsen, sondern hupen.
Daran hielt ich mich, und siehe da, es klappte. Ich schaffte es, den Maserati ohne Kratzer auf die Küstenstraße zu bringen, und dort holte ich aus ihm heraus, was unter seiner Motorhaube schlummerte.
Ich war begierig, zu erfahren, was Giuseppe Mescari gesehen hatte. Bestimmt war es die haarsträubendste Geschichte, die er jemals seinen Mitmenschen vorgesetzt hatte.
***
Giuseppe Mescari war ein fetter, häßlicher Mann mit wulstigen Lippen, Hängebacken, einem gewaltigen Bauch und Knollennase. Doch der äußere Eindruck trog. Mescari war ein seelenguter Mensch, arbeitsam und fleißig, und er liebte seine Tochter Claudia über alles.
Er war 45, seine Tochter 20. Sie lebten seit zehn Jahren allein, und der arme Fischer versuchte Claudia in all den Jahren die fehlende Mutter zu ersetzen, die an einer langen, schweren
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