044 - Peckinpahs Höllenflug
Wollten sie mal etwas Aufregendes erleben?« sagte ich betroffen.
»Ich fand Vermessungsgeräte in ihren Rucksäcken«, sagte der Hüne.
»Hatten sie die Absicht, die Insel zu vermessen?«
»Scheint so.«
»Diese Unglücksraben. Ausgerechnet diese Insel. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als Vulkan die Lavabestie wiedererweckte.«
»Sie können zu dieser Arbeit doch keinen offiziellen Auftrag gehabt haben«, meinte Vicky. »Die italienischen Behörden hätten Landsleute geschickt.«
»Sie können jedenfalls nicht hier liegen bleiben«, sagte Mr. Silver, »deshalb werde ich sie auf die Yacht bringen.«
Wir kehrten alle um, und der Ex-Dämon sprang von der Felsenplatte an Bord.
Er schnellte sich ab, als hätte er keine Last auf den Schultern und überwand die Distanz zur Yacht mühelos, dann ließ er die Leichen sacht herabgleiten und begab sich zum Bug, um die Plane zu holen, die dort zusammengerollt lag.
Als er sie hochhob, vernahm er einen erschrockenen Aufschrei, und seine perlmuttfarbenen Augen weiteten sich verblüfft. Vor ihm lag ein hübsches schwarzhaariges Mädchen.
***
Der Schrei alarmierte Vicky Bonney und mich. Wir sprangen ebenfalls an Bord und sahen, wie Mr. Silver dieses Mädchen unter der Plane hervorholte.
Sie hatte sich darunter versteckt und die Fahrt zur Feuerinsel als blinder Passagier mitgemacht. Ich fragte mich, warum diese kleine Insel auf einmal für so viele Menschen interessant geworden war.
Giuseppe Mescari hatte gesagt, daß all die Jahre kaum jemand seinen Fuß auf die Feuerinsel zu setzen wagte, und nun hatte sie auf einmal regen Zustrom: Tom Ireland, Mel Shannon, dieses Mädchen und der Mann, den die Satansfalken getragen hatten…
Das Mädchen wehrte sich und wollte sich von Mr. Silver losreißen, doch was der Ex-Dämon einmal festhält, kommt nicht mehr frei, wenn er es nicht will.
Sie starrte ihn mit ihren dunklen Glutaugen wütend an, schlug nach ihm, doch sie erreichte nichts damit. Als Vicky Bonney und ich an Bord sprangen, richtete das Mädchen den Blick auf uns.
Zwangsläufig sah sie auch die beiden übel zugerichteten Leichen.
Sie stieß einen spitzen Schrei aus, wandte das Gesicht ab, und Tränen quollen aus ihren Augen.
Wir traten vor sie. Da ich sicher war, daß sie Italienerin war, sprach ich sie in ihrer Muttersprache an: »Wer sind Sie? Wie ist Ihr Name?«
»Laura Poccani«, kam es kleinlaut über ihre bebenden Lippen. Sie hatte Angst vor uns und zitterte heftig. Dachte sie etwa, wir hätten Tom Ireland und Mel Shannon auf dem Gewissen?
»Was haben Sie auf unserer Yacht zu suchen?« setzte ich das Verhör fort.
»Ich… ich wollte zur Feuerinsel«, stammelte das Mädchen. »Zufällig hörte ich im Hafen, daß Sie auch dieses Ziel hatten und stahl mich heimlich an Bord.«
»Bitte… tun Sie mir nichts!«
Ich war verärgert. »Wofür halten Sie uns? Für Menschenfresser – oder etwa in der Art?«
Sie blickte an mir vorbei auf die Leichen. Ich erklärte ihr, daß wir die beiden Toten auf der Insel gefunden hatten.
Dann wollte ich wissen, welchen Grund sie hatte, die gefährliche Feuerinsel aufzusuchen, und sie erzählte uns unter Tränen ihre ganze Geschichte.
Wir erfuhren, daß sie die Nichte Don Primo Poccanis, des Capo di Capi, war, was sie sich zuschulden kommen ließ, und wie das Urteil ihres Onkels lautete.
Mr. Silver ließ das schluchzende Mädchen los und brummte: »Verdammt strenge Sitten und Gebräuche herrschen bei der Mafia, das muß ich schon sagen.«
»Sie wollten Federico helfen?« fragte Vicky Bonney. »Wie denn? Sie besitzen ja nicht einmal eine Waffe.«
Laura schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht hätte ich mich vor Federico gestellt und gesagt: ›Wenn ihr ihn töten wollt, müßt ihr zuerst mich erschießen!‹«
Ich bewunderte den Mut dieses Mädchens. Was sie aus Liebe auf sich zu nehmen bereit war, war großartig.
»Jetzt sind Sie nicht mehr allein«, sagte ich und legte ihr freundlich lächelnd die Hand auf die Schulter. »Sie können mit unserer Unterstützung rechnen.«
Laura sah mich unendlich dankbar an. Dieser Blick machte vieles wieder gut.
»Wir werden tun, was in unserer Macht steht, damit Sie und Ihr Freund die Insel unversehrt verlassen können«, versprach Mr. Silver.
Hoffentlich sind wir nicht zu spät dran, dachte ich noch.
Sekunden später fielen plötzlich Schüsse!
***
Wir wurden mit automatischen Waffen beschossen.
»Deckung!« schrie ich, packte Laura Poccani und riß sie mit mir
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