0440 - Der Ring des Verderbens
verschmolz Cascal die Steine und warf mit dem Fuß Sand über alles.
„Fertig?" fragte er und drehte sich verwundert um, als er keine Antwort bekam.
Er schüttelte den Kopf, schulterte den Bohrer und holte die Waffe hervor.
Vielleicht suchte Kase noch ein oder zwei Säbelzahntiger, mit denen er spielen konnte. Es war unfaßbar, wie weltfremd diese Wissenschaftler manchmal sein konnten. Nichts gegen Risikobereitschaft, aber viel gegen Gedankenlosigkeit.
„Kase!"
Langsam ging er auf die Felsspalten zu.
„Hier, kommen Sie!" kam eine hohl und nachhallend klingende Stimme zwischen den blauen Felsen hervor. „Was haben Sie?" rief der Major.
„Etwas gefunden!"
„Wie schön", sagte Cascal und zwängte sich durch die Felsspalten. Doktor rer. nat. Tajiri Kase kniete auf dem Boden, der mit Sand, Knochen, Ästen und trockenem Laub bedeckt war. Er schaufelte wie ein Wahnsinniger mit beiden Händen den Sand auf der, wie bei einem scharrenden Dackel, in zwei hohen Fontänen nach hinten flog und über Hosen und Stiefel des Ertrusers rieselte. Es schien, als versuche Kase, sich dem flüssigen Erdmittelpunkt entgegenzugraben.
Cascal räusperte sich, lehnte sich an die Felswand und fragte, stark beunruhigt: „Suchen Sie die Erkenntnis oder den Teufel in der Hölle?"
„Sie sind ein Ignorant!" rief Kase. „Zugegeben", sagte Cascal. „Trotzdem scheint mir ihr Eifer verwunderlich."
Plötzlich hielt Kase inne. „Heureka!" schrie er, daß es zwischen den Felsen widerhallte wie ein Donnerschlag.
„Griechisch auch noch", sagte Cascal seufzend, doch dann ging ihm ein Licht auf.
„Wie sehr ich mich für Sie freue!" sagte er.
„Zeigen Sie her ... nein, ich rühre das Ding sicher nicht an. Soll ich etwas Watte aus dem Verbandskasten holen?"
Dr. Kase stand auf und hielt mit beiden Händen seinen Fund entgegen.
Es war ein Schneckenhaus, blau, mit gelben, weißen und goldenen Streifen, die sich, wie kaum anders zu erwarten, spiralförmig den Windungen entlangzogen und in einer Spitze endeten.
„Linksgewinde?" fragte Cascal. „Linksgewinde!"
bestätigte Kase andachtsvoll. „Ein Schneckenhaus mit Linksgewinde."
Seine sonst so dröhnende Stimme war zu einem geheimnisvollen Flüstern abgesunken. Er hatte feuchte Augen, und sein Mund stand offen. Cascal fühlte sich dringend an Kinder erinnert, die eben Osterhasen, Weihnachtsmann, Klapperstorch und einen Engel gleichzeitig gesehen hatten.
„Nehmen Sie Ihre linksgewundene Schnecke, Kase, und kommen Sie.
Atlan wartet. Sie wissen, wie er manchmal sauer werden kann." Kase ging feierlich neben ihm her, nahm in einem Sessel des Jägers Platz und betrachtete fassungslos, schweigend, seinen seltenen Fund. Dieser Fund, wußte er mit geradezu hellseherischer Genauigkeit, würde der irdischen Wissenschaft manches Kopfzerbrechen bereiten.
Als am späten Vormittag Cascal mit Atlan zusammen sämtliche Positionen abgeflogen hatte, waren rund dreihundert verschiedene Mikrobomben versteckt.
„Und zwar so", stellte der Lordadmiral befriedigt fest, „daß die drei Jahrtausende ihnen nichts anhaben werden."
Cascal nickte.
Sämtliche Geräte waren von Atlan und Professor Dr. Bhang Pacek auf Funkzündung per Hyperwelle justiert worden.
Der Jäger war eingeschleust worden, und die Besatzungsmitglieder machten sich daran, sämtliche Abwehreinrichtungen der Kuppel zu testen und besonders die Projektoren für den HÜ-Schirm.
„Wann tauchen wir auf?" fragte Waringer.
Atlan sah nachdenklich die große Uhr inmitten der zahlreichen Kontrollen an.
„Um genau zwölf Uhr."
Geoffry Abel Waringer stellte einige Ziffern ein und erwiderte halblaut: „Zwölf Uhr am 27. April. Einverstanden. Ich richte den Countdown darauf aus. Wir werden diesmal nicht mit einundvierzig Sekunden davonkommen, Lordadmiral Atlan!"
„Ich weiß. Es muß trotzdem so schnell wie möglich gehen."
„Natürlich!"
Die Sonne stand bereits hoch über dem Landstrich, der einmal von den Fluten des Ozeans bedeckt werden würde. Die Schatten wurden kürzer, nur die Kuppel warf so gut wie keinen Schatten. Sie war verschlossen, eine Halbkugel, von merkwürdig strahlendem Äußeren, in der Landschaft der Eiszeit, in der es sogar noch Saurier gab. In dreitausend Jahren würde es hier anders aussehen und gefährlicher.
Cascal sah sich um und beobachtete die Männer an ihren Plätzen, sah auch Claudia Chabrol und lächelte.
Ihr auf Schlagabtausch sarkastischer Bemerkungen aufgebautes Verhältnis hatte sich geändert. Sie
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