0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue
die ihn in der Nacht besucht hatte.
Eine Täuschung?
Es hatte eigentlich keinen Sinn, sich Gedanken über dieses Problem zu machen. Wichtig war es jetzt, das Grab der rätselhaften Nonne zu finden.
Der Blick zur linken Seite des Friedhofs war relativ frei. Dort befanden sich die meisten Grabreihen. Sie sahen fast alle gleich aus, selbst die Grabsteine glichen sich in den meisten Fällen. Die Steinkreuze waren in der Überzahl. Nur manchmal wurde ihre Reihe von schrägstehenden Platten unterbrochen.
»Eine Gruft sehe ich da nicht«, sagte Pater Ignatius. »Versuchen wir es auf der anderen Hälfte.«
Dort stand die Kapelle.
Sie sollte von innen ausgebessert werden. Den toten Mönch hatte man neben einer Leiter gefunden. Es war schwer gewesen, ihn zu identifizieren.
Die Nonne mit der Teufelshand arbeitete mit allen Tricks. Sie tötete nicht allein mit ihrer Klaue, nein, sie nahm auch noch Hilfsmittel in Anspruch.
Hohe Erlen bildeten eine Dreiergruppe vor der Kapelle. Die Bäume verwehrten die Aussicht auf die älteren Gräber. Erst als wir unter den Zweigen hergeschritten waren, sahen wir die Gruften.
Man konnte sie als kleine Häuser bezeichnen. Nicht sehr aufwendig wie die Gruften auf den Friedhöfen der Prominenten. Wer hier beerdigt wurde, der stammte aus dem Dorf, und in Watermeetings gab es nun mal keine Millionäre.
Father Ignatius war nicht mehr zu halten. Er glich schon einem Spürhund. Noch vor mir hatte er die drei Gruften erreicht und wurde bei der fündig, die rechts außen stand.
»Das ist sie.«
Ich ging zu ihm. Er stand vor einem kleinen grauen Haus, das ein flaches Dach hatte. Viele dieser Totenhäuser, die ich kannte, waren mit Kreuzen verziert worden oder zumindest mit Bibelsprüchen.
Das hier zeigte nichts dergleichen.
Ich entdeckte auch nichts Auffälliges, als ich einmal um das Totenhaus herumgeschritten war, blieb neben Ignatius stehen und hob die Schultern. »Tut mir leid, Spuren sind keine zu finden.«
»Zeugen behaupten, daß die Nonne schwebt, wenn sie sich bewegt.« Er deutete den Abstand mit seinen Händen an. »Ungefähr so dicht über dem Boden.«
»Und wie kommt sie raus?« Ich deutete auf die Tür, die mit alten Eisenbeschlägen verziert war.
»Vielleicht schafft sie es, durch Wände und Mauern zu gehen.«
»Möglich.«
»Was willst du machen? Die Tür aufbrechen?«
»Bleibt uns eine andere Möglichkeit?« Ich sah mir das Schloß an.
Wie nicht anders zu vermuten, war es verrostet. Wenn wir die Tür öffnen wollten, mußten wir sie aufstemmen.
Eine Klinke war ebenfalls vorhanden. Ich drückte das schwere Eisenstück nach unten und stellte fest, daß es den eigentlichen Mechanismus nicht mehr gab. Die Klinke diente mehr als Attrappe.
Father Ignatius hatte mich allein gelassen. Als er zurückkam, hielt er Spitzhacken in den Händen. »Die habe ich vor der Kapelle gefunden.« Er grinste. »Manchmal ist es doch besser, wenn Handwerker ihr Werkzeug nicht mitnehmen.«
Wir versuchten es gemeinsam und benutzten die Hacken als Hebel. Es war gar nicht so schwierig, die Tür aufzustemmen. Ein paarmal mußten wir noch nachdrücken, dann hatten wir die Tür offen. Zwar schrammte sie über den Boden und ließ sich auch nicht ganz aufstoßen, aber ein Spalt, so groß, daß Menschen hindurchgehen konnten, blieb.
Wir ließen die Hacken fallen und drückten uns durch den Spalt.
Es war eine kleine Gruft, die wir betreten hatten, aber auch in ihrem Innern hatte sich jene Atmosphäre erhalten, die mich an Tod, Grab und Vergänglichkeit erinnerte.
Einen Sarg fanden wir nicht, dafür eine Klappe im Boden. So etwas hatte ich schon mehrmals gesehen.
Ich deutete schräg nach unten. »Der Sarg wird darunter liegen.«
»Oder das, was von ihm übriggeblieben ist.«
Ich schüttelte den Kopf. »Fast bin ich davon überzeugt, daß man die Nonne in einem Steinsarg begraben hat. Das war doch früher so üblich, wenn die Leute etwas Besonderes waren. Daß die Nonne dies gewesen ist, davon gehe ich aus, sonst hätte man sie nicht in die Nähe der Maria Stuart gelassen.«
Die Klappe bestand aus schwerem Eisen. Staub und Dreck lagen darauf. Wir würden es kaum schaffen, sie hochzustemmen, aber der Pater holte wieder die Hacken.
Erneut benutzten wir sie als Hebel.
Diesmal hatten wir größere Schwierigkeiten, den verdammten Deckel aufzustemmen. Als er stand, waren wir beide schweißgebadet.
Modergeruch drang uns entgegen. Es war nicht größer als ein normales Grab, vielleicht ein wenig
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