0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue
breiter, und wir sahen auch den Sarg.
»Tatsächlich aus Stein!« flüsterte Ignatius. »Dann muß sie etwas Besonderes gewesen sein.«
»Und wie.« Ich stand schon an der Kante und hockte mich nieder.
»Den Inhalt sehe ich mir mal genauer an.«
Als ich zur Hacke griff, fiel mir etwas auf. Äußerlich hatte sich an dem alten Sarg nichts verändert, dennoch war etwas anders geworden.
In seinem Innern herrschte eine gewisse Unruhe.
Ich legte mein Ohr auf den Steindeckel, um besser hören zu können. Der Mönch beobachtete mich dabei gespannt und fragte, als ich mich wieder aufrichtete: »Was ist denn, John?«
»Ich weiß es auch nicht, aber ich habe das Gefühl, als würde im Sarg eine gewisse Unruhe herrschen.«
»Wie das?«
»Es ist komisch, aber das habe ich auch noch nie erlebt. Wenn sich ein Vampir in einem alten Sarg befindet, verhält er sich zumindest ruhig. Für einen Zombie gilt das gleiche, aber wer immer sich in der Totenkiste aufhält, der ist nicht still und macht Theater.«
»Eine ungewöhnliche Nonne«, bemerkte der Pater.
»Bestimmt.«
»Soll ich dir helfen?«
»Ich versuche es zunächst mal allein.« Den Griff der Hacke hielt ich längst umklammert. Um den Raum zwischen Deckel und Unterteil erkennen zu können, mußte ich zunächst noch Schmutzschichten wegschaben, dann hatte ich eine Stelle gefunden, wo ich ansetzen konnte.
Father Ignatius beobachtete mich. Er kniete neben dem Grab und schaute in die Tiefe. Sein Gesicht war angespannt. Vielleicht standen wir nach dieser Sargöffnung direkt vor der Lösung des Rätsels.
»Hörst du immer noch etwas?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, jetzt ist es ruhig.«
»Vielleicht hast du dich getäuscht.«
»Kann auch sein«, gab ich zu, obwohl ich davon nicht überzeugt war.
Eine Spitzhacke als Hebelwerkzeug in der Enge eines Grabes zu benutzen, ist gar nicht so einfach. Wenn ich sie endlich angesetzt hatte, stieß ich mit dem Ellbogen gegen den Grabrand und auch mit dem Ende des Hackenstiels.
Ein paarmal rutschte ich ab, bis ich die Spitzhacke schräg ansetzte und so einen Ansatz gefunden hatte.
Einige Male hebelte ich, hörte das Knirschen, roch und schmeckte Staub, und als sich das Knirschen verstärkte, sah ich, daß sich endlich der Deckel bewegte.
Ich ließ nicht locker und war schließlich soweit, daß ich den Deckel anheben konnte. Eine zweite Hacke setzte ich an einer anderen Stelle an.
»Läßt sich der Deckel bewegen?« fragte Father Ignatius.
»Das hoffe ich doch.«
Der Mönch hatte noch etwas sagen wollen, als wir plötzlich die hohl klingende Stimme hörten, die durch die Gruft schwang. Den Sprecher oder die Sprecherin entdeckten wir nicht. Sie mußte sich irgendwo verborgen haben, oder sie war ein Geist.
»Wer die Ruhe der Toten stört, wird selbst nie Ruhe finden…«, klang es. »Grabschänder sollen eine Beute des Teufels werden. Ihr habt geschändet. Der Satan wartet auf euch …«
Father Ignatius hatte sich schneller gefangen als ich. Er stand jetzt neben dem Grab und drehte sich langsam um die eigene Achse. Seine Hand hielt das alte Holzkreuz umklammert. »Wer bist du? Zeig dich, wenn du in der Nähe lauerst. Bist du die Nonne aus der alten Zeit?«
»Wer ich bin, das sage ich nicht. Aber ihr seid Grabschänder, euch steht der Tod bevor…«
Die Stimme verhallte, und nicht nur Father Ignatius hatte eine Gänsehaut bekommen. Mir war ebenfalls ziemlich mulmig zumute, so daß ich einige Male schlucken mußte.
»Willst du trotz der Warnung weitermachen, John?«
»Sicher, der Sarg ist offen.«
»Dann sag mir, wer darin liegt.«
Ich lachte und hob die Hand. »Nicht so voreilig, mein Lieber. Du wirst es früh genug sehen.«
Ignatius wollte nicht mehr am Grabrand stehenbleiben. Er rutschte in die Tiefe und blieb mir gegenüber stehen. Nur die steinerne Totenkiste trennte uns. Sie war hoch, und das wunderte mich, denn normalerweise wurden die Särge viel niedriger gebaut.
Die Nonne mußte etwas Besonderes gewesen sein.
Father Ignatius nickte mir zu. »Sollen wir den Deckel anheben?«
»Ja, du gibst ja sonst keine Ruhe.«
»Ich will endlich wissen, wen man in diesem verfluchten Sarg begraben hat.«
Gemeinsam machten wir uns an die Arbeit. Es war wenig Platz, wir mußten den Deckel zu einer Seite hin kippen.
In Strömen lief uns der Schweiß über die Gesichter. Wir hatten den Sargdeckel endlich so hoch, daß wir in das Unterteil blicken konnten.
Schatten sahen wir…
»Noch ein kleines Stück!« keuchte der
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