0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue
übersehen und hörte den Mönch reden.
»Die Biester sind noch da. Hocken in einer Reihe vor der Tür und sehen verflixt hungrig aus.«
»Beweg dich nicht, ich komme!«
So wie der Pater es mir vorgemacht hatte, kletterte auch ich aus der Gruft. An deren Rand blieb ich stehen und schaute auf die Innenseite der Eingangstür.
Es stimmte.
Da hockten die fetten Ratten in einer Reihe und starrten uns an.
Mich überlief es kalt.
»Wenn sie springen, nehme ich die Hacke«, sagte der Mönch. Er hielt sie bereits schlagbereit und ließ die Tiere ebensowenig aus den Augen wie sie ihn.
Die Tür stand offen. Von draußen her fiel auch ein Lichtstreifen in die Gruft, durch den plötzlich ein Schatten huschte. Nur für einen kurzen Moment, aber die Zeitspanne hatte mir gereicht.
Ich kam nicht mehr dazu, meinen Freund zu warnen, denn jemand stemmte sich von außen gegen die Tür.
Im selben Augenblick sprangen auch die ersten Ratten.
Ich handelte.
Es war eine Verzweiflungstat, als ich den Biestern entgegensprang und dabei den rechten Arm vorschleuderte. In der Hand hatte ich die Spitzhacke, die ich nun einsetzte. Sie traf genau in dem Moment den Spalt, als die Tür zugedrückt werden sollte.
Der Griff sperrte, die Tür blieb offen.
Ich rutschte fast auf einer Ratte aus, aber ich kam zur Tür durch, riß sie auf und hörte noch die schnellen Schritte, die sich entfernten.
Wer es gewesen war, sah ich nicht. Das interessierte mich im Moment auch nicht, da die Ratten wichtiger waren.
Ich hatte die Spitzhacke aufgehoben, drehte mich wieder um und schaute in die Gruft.
Father Ignatius lehnte an der hinteren Wand vor dem offenen Grab. Er kämpfte gegen die Rattenbrut und schlug mit dem Mute der Verzweiflung um sich.
Einige Körper waren von der Spitzhacke schon erwischt worden.
Sie lagen bewegungslos am Boden.
Andere jedoch waren schneller und gewitzter. Zwei Ratten hatten sich bereits an der Kleidung des Paters festgebissen. Da er sich um weitere kümmern mußte, konnte er die beiden nicht abschütteln.
Ich eilte ihm zu Hilfe.
Ich besitze zwar keine Routine im Umgang mit einer Spitzhacke, aber nach einigen Versuchen hatte ich zwei Ratten erledigt und dem Pater dazu verholfen, daß er die beiden von seiner Kleidung streifen konnte. Eine zertrat er mit dem Fuß, die andere wurde von einem wuchtigen Schlag der Hacke geteilt.
Drei Ratten flohen aus der Gruft auf den Friedhof.
Schweratmend kam Father Ignatius zu mir. »Mein lieber Schwan, das möchte ich auch nicht jeden Tag erleben.«
»Frag mich mal.«
Er zog den Mund schief und blickte an sich hinab. Die Zähne der Nager hatten Spuren hinterlassen. Er blutete an einigen Stellen und sprach voller Galgenhumor: »Hoffentlich waren sie nicht infiziert.«
»Damit mußt du rechnen.«
Er wechselte das Thema. »Ich habe zwar nicht viel mitbekommen, aber jemand wollte den Eingang schließen, nicht?«
»Ja.«
»Dann hätten wir gut ausgesehen.«
»Eben.«
»Hast du einen Verdacht, John?«
Ich ließ meine Blick kreisen. Weit konnte ich nicht sehen. Die hohen Erlen und auch die Mauern der Kapelle nahmen mir einen großen Teil der Sicht. »Keinen konkreten«, erwiderte ich.
Father Ignatius nickte gedankenverloren. »Aber ich.« Er vollführte eine Handbewegung. »Denk mal daran, was ich dir gesagt habe. Das Mädchen in der Pension ähnelte der Nonne, die mich in der Nacht besuchte.«
»Du gehst jetzt davon aus, daß Karen Cullogh uns hatte einsperren wollen.«
»Natürlich.«
Ich hob die Schultern. »Das kann stimmen, muß aber nicht.«
Father Ignatius lachte. »Dir gefällt die Kleine, das habe ich schon gesehen…«
»Unsinn, die ist viel zu jung für mich. Sie will unbedingt nach London, das allein ist ihr großer Traum. Was sollte sie da mit dem Geist einer Nonne im Sinn haben?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, daß mit dem Grab einiges nicht in Ordnung ist und daß ich Schwierigkeiten habe, den Fall überhaupt zu begreifen. Hat man tatsächlich damals Ratten begraben und die Nonne außen vor gelassen?«
»Wenn ja, welchen Grund gab es?«
»Weiß ich nicht.«
»Wo könnten wir mehr erfahren?«
»Vielleicht im Ort selbst.«
»All right, gehen wir.«
Zuvor aber suchten wir wie die alten Trapper nach Spuren, die unser geheimnisvoller Gegner möglicherweise hinterlassen hatte.
Der Boden war mit Gras bewachsen und auch weich, Abdrücke hätten zu sehen sein müssen, aber kaum ein geknickter Grashalm fiel ins Auge.
»Vielleicht war es der Geist
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