0445 - Das Kommandogehirn
lenkte ihn für einige Minuten von seinen Problemen ab. Titan stand jetzt so, daß man von den Shifts aus den Weltraum nicht mehr sehen konnte. Der gesamte Himmel wurde allein vom Saturn eingenommen. Es sah aus, als wölbte sich eine streifige Mondoberfläche. Die Ringe waren nur als schmaler Strich zu erkennen, der in der Mitte fast schwarz war und sich nach den Rändern zu allmählich aufhellte.
„Ein bedrückender Anblick", murmelte Ovaron. „Man könnte meinen, der Himmel wäre in Brand geraten."
Toronar Kasom schaltete den Telekom auf maximale Aufnahmeleistung und verstellte die Justierung. Aus den Lautsprechern ein hohles, an- und abschwellendes Brausen, Donnern und Heulen - die Radiostrahlung des Saturn.
„Musik aus der Hexenküche", bemerkte der Ertruser.
Perry Rhodan nickte. Sein Gesicht wirkte im Licht Saturns bleich und abgespannt. Um die Augen lagen dunkle Schatten.
Oberst Kasom schaltete den Telekom wieder zurück und konzentrierte sich auf die Steuerung des Shifts. Im Osten wurde ein sichelförmig gebogener Streifen Dunkelheit erkennbar. Saturn hatte den Zenit überschritten.
Der Großadministrator sah zu den Akalos-Bergen hinüber. Sie waren höchstens noch zwölf Kilometer von ihrem Fuß entfernt.
Das Licht Saturns ließ keinen Schatten zu, es war allgegenwärtig. Die bizarren Formen der steil aufragenden Berge wirkten irgendwie unnatürlich. Sie schienen Kälte auszuströmen. Auf der Erde sahen Berge ganz anders aus, anheimelnd, beruhigend, verlockend.
Als die Shifts den Fuß des Gebirges erreichten, gab es auf Titan wieder Licht und Schatten. Vom Saturn war nur noch ein Drittel zu sehen. Bald mußte die Sonne aufgehen.
Kasom wirkte wie ein Denkmal. Er regte sich nicht. Nur die Hände bewegten sich ab und zu, um den Kurs oder die Geschwindigkeit zu korrigieren. Die Schlucht, die Rhodan und Ovaron zusammen mit den Teleportern ausgekundschaftet hatten, wurde erreicht. Unaufhaltsam setzten die Allzweckpanzer ihren Weg fort, umfuhren Hindernisse, kletterten über Geröllhalden und wichen glitzernden Trockeneisfeldern aus.
Immer stärker breiteten sich die Schatten aus, füllten die Schlucht zum größten Teil und milderten die scharfen Kanten der Felsen. Mit prächtigem Farbenspiel ging Saturn unter.
Wenige Minuten später ging ein heller funkelnder Stern auf - die Sonne. Perry Rhodan schaltete die Kanzelabfilterung ein und sah, daß Sol vom Titan aus nicht größer war als ein Daumennagel. Ohne Filter konnte man sie überhaupt nur als besonders hellen Stern sehen. Sie besaß nicht genug Kraft, um die Atmosphäre des Saturnmondes zu erwärmen. Im Gegenteil, die Temperatur sank um einige Grade. Die Rückstrahlung Saturns war stärker gewesen als die unmittelbare Strahlung der Sonne.
„Halten Sie bitte an, Oberst Kasom!" sagte Ovaron unvermittelt.
Der Ertruser blickte Rhodan fragend an. Der Großadministrator nickte.
„Anhalten!" sagte Kasom für Tschubai, fuhr noch einige Meter weiter und betätigte dann die elektronische Bremse.
Der Shift wurde langsamer und hielt an.
„Ich erkenne den Vorsprung dort drüben", sagte der Cappin und deutete zu einer natürlichen Plattform, die etwa hundert Meter weiter an einem scharfen Knick aus der rechten Wand der Schlucht ragte. Sie sah wie eine Kanzel aus.
„Wahrscheinlich habe ich den Vorsprung von der Korkenzieherschlucht aus gesehen", fuhr Ovaron fort. „Wir müssen also ganz nahe sein."
Er leckte sich nervös die Lippen. Dann lachte er gepreßt.
„Seltsam, daß ich mich an etwas erinnere, das ich erst in sieben Tagen sehen werde. Es ist verrückt, nicht wahr?"
Rhodan nickte.
„Nur nicht zuviel darüber nachdenken, Ovaron. Sie sind, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, unter die eigene Vergangenheitsebene gereist. Das allein stellt schon ein Zeitparadoxon dar. Aber das wußten wir ja schon, bevor wir diese Zeitreise antraten. Was ist also dabei! Wir erleben lediglich ein natürliches Phänomen."
„Ihr Terraner setzt euch ziemlich leichtfertig über solche Dinge hinweg!" rief Merceile aus dem Laderaum. „Wie kann etwas natürlich sein, das künstlich hervorgerufen wurde?"
Kasom lachte.
„Sie berühren da ein altes Problem: Was ist noch natürlich und was ist bereits künstlich? Wo liegt die Grenze?
Wissen Sie, Miß Merceile, ich vertrete die Meinung, daß alles, was von natürlich entstandenen Lebewesen vollbracht wird, auch natürlich ist."
„Wie? Sie behaupten, auch ein Zeitparadoxon wäre natürlich?"
„Aber sicher! Es
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