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0445 - Die Macht des Träumers

0445 - Die Macht des Träumers

Titel: 0445 - Die Macht des Träumers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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nur das weiterentwickeln, was unserem Begreifen entspricht. Aber das Amulett warnte mich, daß die Wirklichkeit meinen Verstand überfordern würde.«
    »Es war etwas anders formuliert«, erinnerte Nicole. »Aber gerade deswegen hatte ich den Rechner benutzt. Nun gut, es scheint wirklich Neuland zu sein.«
    »Verblüffenderweise habe ich im Traum dasselbe Bild gesehen, das das Amulett zeigt, nur ergänzt und weitaus klarer.«
    Das verdankst du mir, meldete sich die lautlose Stimme des Amuletts in seinem Kopf. Aber ich weiß nicht, ob du mir dafür dankbar sein solltest, denn ich konnte es nicht verhindern, daß diese Information nach deinen Träumen griff. Leider wurde ich von Nicole in Aktivität gehalten und konnte deshalb eine Berührung deines Unterbewußtseins nicht verhindern.
    »He, das ist aber eine lange Rede!« entfuhr es Zamorra.
    Das Amulett ging einmal mehr nicht auf seine Äußerung ein. Es wiederholte lediglich, was es in den frühen Morgenstunden schon einmal von sich gegeben hatte: Du solltest nicht daran rühren.
    Zamorra starrte das computergestützte Landschaftsbild an, die Festung mit den blauen Wachfeuern auf den Zinnen. Den gelben, sturmzerrissenen Himmel.
    »Jetzt erst recht«, sagte er. »Wir müssen einen Weg in jene Welt finden. Notfalls auch ohne das Amulett!«
    ***
    Das Werdende registrierte, daß da noch etwas war, das sich einzumischen versuchte. Es war nicht feindlich, aber es konnte auch kein Freund sein. Es gab keine Freunde für das Werdende. ES war einsam.
    ES sandte einen Warnimpuls aus. Wer oder was auch immer das Fremde sein mochte - es sollte sich besser zurückhalten. Eine Berührung war unerwünscht, da sie sicher zu einem Interessenkonflikt führen würde.
    Aber, das Werdende konnte nicht sicher sein, ob seine Warnung beachtet wurae. Dabei hatte es genug eigene Probleme. Es mußte sich bemühen, die Traumkontrolle zurückzuerlangen. Mittlerweile wurde ihm klar, daß es dem anderen Träumer ein zu großes Terrain kampflos überlassen hatte. Von Sekunde zu Sekunde wurde es schwieriger, wieder zu kontrollieren und zugleich unerkannt im Hintergrund zu bleiben. ES wußte nicht, wie lange es das noch durchhalten konnte.
    Die Gefahr bestand, daß ES einen Befreiungsschlag führen mußte. ES hatte sich zu intensiv in diese Traumkonstellation engagiert. ES wollte keine Gewalt. Aber vielleicht würde dem Werdenden nichts anderes übrig bleiben.
    Gut wäre das nicht…
    ***
    Yves Cascal war erstaunt darüber, wie schnell sie ihr Ziel erreichten. Mit dieser Welt, in die er unfreiwillig geraten war, stimmte etwas nicht. Er fand kaum Zeit, nachzudenken. Er war in der Schänke inmitten einer hölzernen Stadt erschienen, er war durch einen dunklen Tunnel in einen Ur-Wald gebracht worden, und nun tauchte vor ihm eine Festung auf. Graubraune Steine. Hohe, massive Mauern. Yves erinnerte sich, daß während seiner Schulzeit im Geschichtsunterricht einer seiner Schulkameraden behauptet hatte, es gäbe nur eine einzige Festung auf der Welt, die auch mit den Waffen der Neuzeit uneinnehmbar sei - es sei denn, man setze Atomwaffen ein. Auf die Frage, welches Gemäuer er meinte, hatte er geantwortet: »Die Engelsburg in Rom.« Die Festung am Tiber, in deren Vergangenheit nicht nur einer der Päpste Zuflucht gefunden hatte.
    Yves hatte Fotos der Engelsburg gesehen, und sie hatten ihn nicht sonderlich beeindruckt.
    Die Festung aber, der sie sich jetzt näherten, beeindruckte ihn. Sie mußte noch weit uneinnehmbarer sein als die römische Engelsburg.
    Die blonde Frau verhielt sich still. Mit keiner Silbe war sie auf Cascals Vorwürfe eingegangen, als Lockvogel für den ominösen Fürsten zu arbeiten. Sie machte auch keine Anstalten, sich aus dem Netz zu befreien, während Cascal versuchte, an seine linke Hosentasche zu kommen. Darin steckte ein kleines Klappmesser, als Waffe so gut wie unbrauchbar, als Werkzeug ideal mit gerade mal drei Zentimetern Klingenlänge. Wenn er es schaffte, es in die Hand zu bekommen und einige der Netzfäden durchzutrennen, so daß er ein wenig mehr Bewegungsfreiheit erhielt… Natürlich ließ sich das nicht ganz unbeobachtet machen, solange die Schwarzgekleideten das Netz trugen, aber je mehr er sich dann bewegen konnte, um so schneller konnte er seinen Befreiungsversuch weiterführen, hoffte er.
    Außerdem war es besser, als gar nichts zu tun.
    Aber er schaffte es nicht. Er brachte zwar mit aller Anstrengung die Hand bis an den Rand der Hosentasche, aber nicht mehr weiter.

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