0446 - Höllenfrost
ragte noch aus dem Dach empor. Zusatzscheinwerfer waren da, und auf allen vier Rädern waren Schneeketten aufgezogen. Schmale Räder, die überall durchkamen. Auf dem Dachgepäckträger sah Briggs undeutlich Hacke, Spaten und Schneeschuhe neben allerlei Kleinigkeiten. Wer diesen Wagen und seine Ausrüstung besaß, war ein Profi. Der kannte sich in Alaska aus. Vermutlich war der verfügbare Innenraum gefüllt mit Benzinkanistern und Ersatzreifen sowie Schneeblechen.
Phil Briggs wußte selbst nicht, weshalb der Wagen ihn interessierte. Dabei hielt er das Fabrikat für nicht gut. Er hätte einen Suzuki oder Mitsubishi vorgezogen; oder einen russischen Lada, obgleich der grundsätzlich Probleme mit den Bremsen hatte, deren Leitungen schneller durchrosteten, als der Besitzer den Schraubenschlüssel schwingen konnte. Aber wer wollte in einer unwirtlichen Landschaft schon bremsen?
Wichtig war, daß der Wagen einen kurzen Radstand besaß, daß er problemlos ansprang und daß sein Allradgetriebe so konstruiert war, daß der Wagen auch bei größeren glatten Steigungen nicht hängen blieb.
Aber das war an sich nicht Briggs’ Problem, der niemals ein Auto besessen hatte, sondern seine Kenntnisse nur aus der Theorie bezog - oder aus der Beobachtung anderer.
Langsam ging er auf den Wagen zu. Der dunkle Wagen konnte noch nicht lange hier stehen; seine Motorhaube war noch heiß. Die Schneeflocken verdampften sofort. Auf dem Dach blieben sie liegen. Der Mercedes mußte scharf gefahren worden sein.
Plötzlich öffnete sich die Fahrertür.
Eine Frau stieg aus.
Eine Frau, wie Phil Briggs sie noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Sie war ein Erlebnis. Sie war wunderschön, sie war erregend. Er glaubte innerlich zu explodieren. Diese Frau mußte er haben, er, der Einzelgänger.
Sie war für ihn bestimmt.
Und weil er gewohnt war, sich zu nehmen, was er wollte, marschierte Phil Briggs, der seine Seele dem Teufel verkauft hatte, direkt auf die betörend schöne Frau zu.
***
Zamorra trank den letzten Schluck des inzwischen längst nicht mehr so höllisch heißen Getränkes. Er sah Yves Cascal ernst an.
Ombre hatte sich tatsächlich überreden lassen, zu sprechen. Über seine innere Unruhe, über den Übergang in die Traumwelt, die er sich immer noch nicht erklären konnte. Und er wußte jetzt seinerseits, wie es Zamorra und Nicole ergangen war.
»Und was soll ich jetzt tun, Superman« fragte Cascal.
Zamorra hob die Brauen.
»Sie verwechseln mich mit einer Figur, die die Lösung für jedes Problem bringt. Ich bin ein Teil des Problems«, schmunzelte er. Dann wurde er ernst. »Ombre, Sie sagten, daß Sie damals auf rätselhafte Weise nach Florida gelenkt wurden. Wie wäre es, wenn Sie jetzt einfach diesem Drang wieder nachgeben würden? Sie könnten uns damit ans Ziel führen.«
Cascal grinste.
»Sind Sie sicher, daß Sie das wollen? Sie sind doch ein grundsolider, ehrlicher Mensch. Und wenn ich nun ein Auto… äh… ausleihe, um das Ziel zu erreichen…«
»Wir haben ein Auto, Ombre.«
»… oder ein Flugzeug…«
»Wir können die Tickets bezahlen. Wir können ein Flugzeug chartern, das nur für uns da ist. Ich kann es notfalls auch selbst fliegen.«
Yves Cascal lächelte.
»Was können Sie eigentlich nicht, Zamorra?«
Zamorra wurde ernst.
»Ständig Glück haben«, sagte er. »Das kann ich nicht, Ombre.«
Yves Cascal erhob sich. »Dann wollen wir mal ausprobieren, wohin uns ihre Methode bringt. Und ehe Sie sich irgend welche Schwachheiten einbilden: Ich helfe Ihnen, damit ich Sie schneller wieder loswerde.«
Zamorra und Nicole standen ebenfalls auf. Sie folgten Cascal zur Zimmertür.
Dort hielt Angelique sie auf.
»Ihr verschwindet nicht einfach klammheimlich«, sagte sie. »Ich habe dieses hervorragende Essen für euch drei nicht gemacht, um es an die Ratten zu verfüttern. So viel Zeit werdet ihr ja wohl noch haben, oder?«
Zamorra seufzte - und nickte. Er hatte mit allem Möglichen gerechnet, nicht aber hiermit. Und er hoffte, daß die Zeit, die sie mit dem Verspeisen von Angeliques köstlichem Mahl verbrachten, nicht die Welt in andere Bahnen lenkte.
Schon oft waren große Dinge an Kleinigkeiten gescheitert…
Aber kam es wirklich auf die Sekunde an?
***
Stygia hatte sich an ihr Ziel lenken lassen. Sie hatte nicht einmal Zeit gefunden, sich vorher mit ihrem Partner und Vertrauten Astaroth abzusprechen.
Nicht, daß sie die Unterstützung des Erzdämons gebraucht hätte. Aber sie hätte ihn gern
Weitere Kostenlose Bücher