0447 - Der Drachen-Meister
zusetzte, leistete ganze Arbeit. Er fraß sich immer weiter in das Leben des Festsitzenden hinein. Selbst wenn er sich zurückzog, würde der Festsitzende sterben. Damit war dieser Höhlendurchgang versperrt. Niemand würde sich finden, der ihn freiräumte.
Lyan dachte an das Mädchen Ailita. Es interessierte ihn jetzt kaum noch. Er hatte Ailita gerettet, aber interessanter war jetzt der Drahtzieher im Hintergrund.
»Wie kann ich ihn finden?« fragte Lyan sich halblaut.
Vielleicht mußt du ihn in dir selbst suchen, raunte ihm eine unhörbare Stimme in seinem Kopf zu. Vielleicht bist du selbst die Gefahr, die dich bedroht.
Unsinn. Wieso sollte er sich selbst bedrohen? Das ging doch überhaupt nicht. Oder spielte sein Unterbewußtsein verrückt? Aber dafür gab es keinen vernünftigen Grund.
Andererseits - wie anders als durch ihn selbst sollte jene Hornschuppe eines der Drachen ins Château Montagne gelangt sein?
Im nächsten Moment fragte er sich, was er da eigentlich dachte. Château Montagne? Lyan kannte diesen Begriff doch gar nicht. Er hatte sich irgendwie in sein Unterbewußtsein geschlichen. Aber plötzlich sah er vor sich das Bild eines hochgewachsenen, breitschultrigen Mannes und wußte auch dessen Namen. Ted Ewigk.
Etwas war mit ihm. Er strahlte Macht aus. Die Macht eines blau funkelnden Sternensteins. Aber da war noch mehr. Dieser Mann mochte Lyan nicht, aber über eine andere Person war er mit Lyan verbunden. Eine schwarzhaarige Frau…
»Nein«, stöhnte Lyan auf. »Das ist unmöglich. Es geht einfach nicht!«
Er taumelte, er lief. Fort von dem sterbenden Drachen und in Richtung des Röhreneingangs. Irgendwo dort mußte Ailita sein, die Braunhaarige. Die Befreite, die wiederum auch Lyan geholfen hatte.
Wie weit war es noch?
Auf dem Rücken der Reitechse war ihm dieser schwarze Tunnel nicht so lang vorgekommen wie jetzt zu Fuß. Er entsann sich seiner Fähigkeiten und begann zu schweben. Das war weniger anstrengend und ging schneller. Er besaß wieder genügend Kraft; seine Schwäche war wie fortgeblasen. Lyan entsann sich, in einer anderen Welt eine genügend lange Ruhepause eingelegt zu haben. In einer Welt, die wohl realer war als diese.
Er erreichte das Ende des langen Ganges.
Er schwebte ins Freie. Tageslicht umfing ihn. Er sah Ailita, die auf ihn wartete. Er sah auch seine Diener und Helfer, die eigentlich damit gerechnet hatten, daß er auf dem Rücken seiner Reitechse zurückkehrte.
Seine Füße berührten wieder festen Boden. Er sah sich um. Hinter ihm in der Höhle blieb alles dunkel. Er drehte den Kopf und sah wieder Ailita an.
Erstmals sah er sie bei Tageslicht. Das Licht in der Felsenhöhle war künstlich gewesen und verfälschte die Eindrücke ein wenig.
»Ich bin froh, daß Ihr es geschafft habt, zu entkommen«, sagte Ailita. Sie kam auf ihn zu und küßte ihn.
Unwillkürlich erschauerte er.
»Ich danke Euch«, sagte Ailita. »Vorhin… da war ich etwas schroff… Ich war so auf meinen Opfertod fixiert, daß ich gar nicht richtig begriff, was Ihr für mich getan habt.«
»Du hast dich revanchiert«, sagte er. »Du hast mich vor dem Flammenstrahl des letzten Drachen gerettet.«
»Das zählt nicht«, sagte sie. »Ich hätte es nicht tun können, wenn Ihr mich nicht gerettet hättet. Eure Reitechse… sie war wertvoll, nicht wahr? Ihr habt sie verloren. Ist das schlimm?«
»Was meinst du damit?«
»Ich hörte, daß mancher Drachenreiter eine enge gefühlsmäßige Verbindung mit seiner Echse eingeht. Vielleicht ist es bei Euch ähnlich.«
Er zuckte mit den Schultern. »Das höre ich zum ersten Mal. Aber was, wenn es so wäre?«
Ailita lächelte ihn an. »Ich könnte versuchen, Euch den Verlust Eurer Reitechse zu ersetzen.«
Lyan lachte. »Und wie willst du das anstellen?« fragte er spöttisch. Es war schwierig, die Echsen einzufangen und sie zu zähmen. Einem Mädchen wie Ailita traute er es auf keinen Fall zu. Das schaffte keine Frau und kein Mann allein. Dazu brauchte man eine halbe Armee.
»So«, hörte er Ailita sagen.
Und sie begann sich zu verändern.
***
»Verdammt«, sagte Zamorra. »Er kann sich nicht einfach in Luft auflösen. Das geht nicht. Es gibt hier auch keine Weltentore. Und wenn Julian aus eigener Kraft ein Weltentor geschaffen hätte - ich hätte es gespürt.« Er öffnete sein Hemd. Darunter trug er sein Amulett. Normalerweise verzichtete er darauf, solange er sich innerhalb des geschützten Bereiches von Château Montagne aufhielt, und legte es
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