045 - Die Blut GmbH
Finger hart am Abzug. Seine Augen funkelten mich an mit einer unangenehmen Genugtuung.
„Aber anscheinend nicht genug!“ stellte ich fest und japste, als er den Druck verstärkte.
„Vorwärts“, rief er wütend.
„Wohin?“
„In deinen Bau, Fuchs. Vorwärts!“ „Nein!“ sagte ich.
Daß jemand in dieser Situation ihm widersprechen könnte, verblüffte ihn maßlos.
„Ich leg dich hier um!“ knirschte er drohend.
„Wo ist da der Unterschied?“ hielt ich ihm entgegen.
Dann sah ich fasziniert, wie sich sein Finger am Abzug krümmte. Ich empfand ein völlig irres Gefühl, als wäre ich an dieser Sache gar nicht beteiligt, müsse aber eingreifen.
Ich drehte mich halb, stieß die Hände nach unten gegen seine Gelenke. Sein Aufschrei mischte sich mit dem metallischen Klappern der Waffe auf dem Straßenpflaster.
Entweder hatte ich ihn tatsächlich so vollkommen überrascht, oder seine Drohung war nicht ernst gemeint gewesen, denn für einen Schuß hätte die Zeit noch gereicht. Ich riß ihn am Oberarm herum, die Rechte für eine Gerade zur Faust geballt.
Tumult am anderen Ende der Straße ließ mich innehalten. Morton riß sich los. Ich wollte ihm nach, aber ein spitzer Schrei vom Straßenende her ließ mich entsetzt herumfahren. Es war der Schrei einer Frau gewesen. Das Geräusch rascher Schritte folgte und die deutlichen Laute eines Kampfes, begleitet von den wimmernden Lauten der Frau. Gleich darauf wieder ein schriller Schrei vor Entsetzen und Schmerz.
Ich vergaß Freddie Morton. Ich lief auf den Kampfplatz zu und sah immer deutlicher zwei ringende Gestalten. Sie sanken zu Boden, als ich herankam; das Mädchen gut sichtbar in einem hellen Kleid. Ihr Gesicht war von einer Hand umklammert, die sie an weiteren Schreien hinderte. Sie wand sich verzweifelt. Die dunkle, unförmige Gestalt auf ihr war kaum zu erkennen. An ihr schien alles schwarz.
Als ich mich hinab beugte, um sie hochzureißen, hob sie den Kopf. Ein bleiches Gesicht starrte mich an, mit Augen, in denen ein unheimliches Feuer schwelte. Ich fuhr halb zurück. Etwas Tierisches war in den Zügen und wurde noch unterstrichen durch ein drohendes, pfeifendes Geräusch, das aus der Kehle kam. Dann bemerkte ich das Blut, das aus den Mundwinkeln tropfte. Ich dachte an Barbaras Schwester und kämpfte das Gefühl der Panik nieder, das mich zu lähmen drohte.
Dann warf ich mich auf dieses Tier in Menschengestalt. Irgend etwas strich brennend über meinen Nacken, während ich mich an der Gestalt festklammerte und mit ihr über den Gehsteig rollte. Ich griff blindlings nach dem Kopf, der meinem Gesicht immer näher kam, so daß ich schon seinen Atem spürte, der im Gegensatz zu seinen glühenden Augen kalt war. Auch seine Haut war kalt – und ledrig. Vor Überraschung und Ekel ließ ich los. Der Schädel fuhr herab auf meine Schulter, und ich spürte, wie sich spitze Zähne in mein Fleisch gruben. Ich brüllte auf und schlug wild um mich, aber er schien sich vollkommen verbissen zu haben. Der Schmerz war unerträglich. Ich sank halb betäubt zurück.
Da erhielt ich unerwartet Hilfe, ein dumpfer, knirschender Schlag ließ meinen Gegner merklich zusammenzucken. Er gab einen schrillen Laut von sich. Die Zähne lösten sich von meinem Fleisch. Er richtete sich auf, um seinen neuen Angreifer zu sehen. Ich rollte mich zur Seite und stieß mit beiden Füßen nach ihm und schleuderte ihn weg von mir. Er knallte gegen die Hausmauer. Mit einem schrillen Wutschrei rappelte er sich auf.
In diesem Augenblick hörte ich den schon bekannten, gedämpften Knall neben mir, und ein Lichtblitz erhellte für Sekundenbruchteile die wilde Gestalt. Sie zuckte zusammen, als die Kugel aus Mortons Pistole in ihren Körper schlug, aber ich bemerkte mit Grauen, daß es ihr scheinbar nichts ausmachte. Sie sprang auf Freddie zu, der, von Panik erfaßt, sein Magazin leerte. Die teuflische Gestalt wurde ein paarmal herumgeschleudert, fing sich aber jedes mal und stürmte erneut vor.
Der Dämon sprang auf Freddie Morton mit ausgebreiteten Armen zu, wobei eine Art Umhang im Winde flatterte – eine Bestie mit mindestens vier Kugeln im Leib, die sie überhaupt nicht zu stören schienen.
Das war alles unfassbar, aber es blieb zum Glück keine Zeit zum Nachdenken – nur die Notwendigkeit zu handeln.
Freddie ging unter dem Ansturm zu Boden. Er schrie, vor Entsetzen oder Schmerz, wahrscheinlich beides. Ich kam, noch immer halb benommen, hoch. Die Versuchung wegzulaufen war gewaltig.
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