045 - Die Blut GmbH
Phantasie mir keinen Streich gespielt hatte.
„Ein Vampir?“ fragte der Beamte noch immer spöttisch. Ich nickte.
Trotz meiner Müdigkeit schlief ich nicht besonders gut. Meine Alpträume hatten eine Menge mit Fliegen zu tun. Und so wie ich mich am Morgen fühlte, hatte ich einige härtere Landungen hinter mir. Obwohl sich mein Unterbewusstsein so intensiv mit meinen gestrigen Flugversuchen auseinandersetzte, wollte mein Bewußtsein scheinbar nichts mehr mit der ganzen Sache zu tun haben, denn meine Erinnerungen waren verwaschen und unwirklich.
Auch nach dem Frühstück fühlte ich mich nicht viel besser.
Ich rief Dr. Fellner an. Er war nicht da. Seine Sekretärin erzählte etwas von einer dringenden Gerichtssache. In einer guten Stunde, meinte sie, wäre er wieder zurück.
Ich ging nach unten und kaufte mir eine Zeitung. Sie enthielt aber keine Notiz über den nächtlichen Zwischenfall. Ich versuchte, Barbara anzurufen, um meiner Rastlosigkeit Herr zu werden. Nachdem ich die halbe Nummer gewählt hatte, legte ich wieder auf. Es war viel zu früh. Vielleicht schlief sie noch. Das brachte mich auf den Gedanken, was sie wohl überhaupt tat. War das nie zur Sprache gekommen, oder hatte ich es vergessen? Ein wenig verwundert schüttelte ich den Kopf. Vermutlich studierte sie.
Dann fiel mir ein, daß Arbeit vielleicht ein gutes Mittel gegen diese Unentschlossenheit und Rastlosigkeit sein könnte. Unter meinen Notizen hatte ich eine Irene Kolbing und eine Telefonnummer stehen. Daneben ein W. Das W stand für Wüstling, und ich mußte grinsen. Das war der erste gute Augenblick an diesem Morgen. Ich glaubte zwar nicht, daß ich ihr helfen konnte, aber es schadete nicht, wenn ich es versuchte. Es schien jedenfalls ein amüsanter Auftrag zu werden.
Ich rief die Dame an und erfuhr, daß der Anrufer sich immer gegen Mittag meldete und im Wohnblock gegenüber zu Hause sein müsse. Ich versprach, bis elf bei ihr zu sein, machte mir eine Notiz, suchte mein Tonbandgerät heraus und den Telefonadapter. Nach kurzer Überlegung legte ich auch den Feldstecher dazu.
Anschließend, nachdem mir klargeworden war, daß ich die Sache ernster nahm, als ich zugeben wollte, fuhr ich in die städtische Bibliothek und verbrachte eine gute Stunde darin, mir einen Berg Informationen über Vampirismus zusammenzusuchen. Mit einem Stoß Bücher kam ich wieder im Büro an, wo ich mich sofort darüber hermachte. Kurz vor elf mußte ich mich förmlich losreißen. Diese alten Legenden waren interessanter, als ich gedacht hatte.
Ich rief erneut Dr. Fellner an. Er sagte, er hätte Neuigkeiten. Was ich auch von mir behaupten konnte. Er lud mich zum Mittagessen ein, bei dem wir dann in Ruhe alles besprechen konnten.
Frau Irene Kolbing war wesentlich jünger, als ich sie mir ihrer Stimme nach vorgestellt hatte. Zweiunddreißig Jahre alt, attraktiv, unverheiratet. Sie schien nicht verlegen, als sie mir die Details berichtete, in denen ihr sonderbarer Verehrer bei seinen Anrufen zu schwelgen pflegte. Und ich fragte mich, warum sie wohl so erpicht darauf war, den Kerl ausfindig zu machen. Scham oder Furcht waren sicher nicht die Triebfedern ihrer Unruhe.
Während ich mein Tonbandgerät aufbaute und mit dem Telefon koppelte, erklärte sie mir, sie sei ziemlich sicher, daß der Mann in dem Block gegenüber wohnen müsse, und zwar derart, daß er gut in ihr Fenster sehen könne. Sie bot mir einen Imbiss an, aber ich dachte an meine Verabredung mit Erik und lehnte dankend ab. Alkohol bekam mir nie am Vormittag, und zu den Nichtrauchern zählte ich zudem auch noch. Es war ihr peinlich, daß sie mir nichts anbieten konnte. Dann kam die Sprache auf Kaffee, und das hielt ich für eine gute Idee. Hoffentlich war der Kerl pünktlich.
Sie hatte die Vorhänge vor. Er konnte mich also nicht bemerkt haben.
„Woher wollen Sie wissen, daß er Sie von dort drüben sehen kann?“ fragte ich sie, während ich mit meinem Feldstecher die endlosen Fensterreihen beobachtete.
„Ich hatte mein Fenster offen“, sagte sie. „Am Morgen, wenn das Wetter besonders schön ist, tue ich das manchmal. Dann kann es auch geschehen, daß ich noch nicht ganz bekleidet bin. Er …“ Nun stockte sie doch tatsächlich. Rasch fuhr sie fort: „Er muß mich beobachtet haben, und zwar recht genau, denn am Telefon gab er mir dann gleich darauf in seiner üblichen Art einen Überblick über die ‚aufregenden Details’ meiner Unterwäsche. Und er beschrieb sie sehr exakt.“ Sie
Weitere Kostenlose Bücher