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045 - Mörder der Lüfte

045 - Mörder der Lüfte

Titel: 045 - Mörder der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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deshalb, um eine Auslese zu treffen. Nur die Besten dürfen überleben. Die Schwachen geben das Futter für die Starken ab. Aber sie sind fast alle stark. Es ist kein Zufall, dass sich die meisten meiner Tierchen von Menschenfleisch ernähren.«
    Die Harpyie war hundert Meter vor ihnen steil in die Höhe gestiegen und schoss nun im Sturzflug auf Coco zu. Sie sah dem Raubvogel fasziniert entgegen, der geradewegs auf sie zusteuerte. Ein Zusammenstoß schien ihr unvermeidlich, und dennoch rührte sie sich nicht vom Fleck, zuckte mit keiner Wimper, auch nicht, als der Vogel schon zum Greifen nahe war und erst im letzten Augenblick knapp über ihr hinwegstrich. Sie spürte, wie seine nach hinten gestreckten Fänge ihre Haare streiften.
    Der Falke auf Castillos Schulter hatte sie die ganze Zeit über beobachtet. Jetzt sagte Castillo:
    »Sie haben tatsächlich Mut, Coco. In diesem Punkt hat Magus VII. nicht übertrieben. Es gehört mehr als bloße Kaltblütigkeit dazu, diesem Mördervogel so gefasst ins Auge zu blicken.«
    »Ich vertraue Ihren Fähigkeiten im Umgang mit diesen gefiederten Mördern blindlings«, erwiderte sie und hoffte, ihm mit diesem Kompliment zu schmeicheln.
    »Das können Sie auch«, meinte er. »Aber tun Sie es nur, solange ich zugegen bin. Diese Tierchen sind unberechenbar. Und lässt man sie einmal aus den Augen …«
    Er unterbrach sich, wandte sich von Coco ab und richtete sein augenloses Gesicht gen Himmel, wo die Harpyie kreiste.
    »Komm, schöne Lufttänzerin, biete unserem hohen Gast deinen Willkommensgruß dar«, rief er dem Raubvogel zu. »Zeige, was du kannst. Tanze, mein Vogel, tanze!«
    Zwischendurch stieß er immer wieder Zirplaute aus, die leicht nachzuahmen gewesen wären. Doch Coco war sicher, dass es einen Trick dabei gab, und sie vermutete, dass die eigentlichen Befehlstöne im Ultraschallbereich lagen und für das menschliche Ohr unhörbar waren.
    Aber sie verfolgte diese Gedanken nicht weiter.
    Denn nun tanzte die Harpyie tatsächlich. Sie breitete die Schwingen im Segelflug aus, zog sie eng an den Körper, während sie einen Looping drehte, um dann wieder in den Segelflug überzugehen und anschließend die Flügel wie ein Schwimmer, der vom Grund des Meeres auftauchen möchte, kräftig nach hinten stieß und aufstieg. Dann wieder das Schwingen-an-den-Körper-Legen, ein seitliches Abtrudeln und das Abfangen des Falles mit ausgebreiteten Schwingen.
    Es war ein faszinierendes Schauspiel. Die Harpyie war tatsächlich eine Primaballerina der Lüfte. Und doch konnte man bei aller Grazie nie vergessen, dass ein Schnabelhieb dieses Vogels einem die Kehle aufreißen konnte, dass in diesen Fängen die Kraft wohnte, einem Menschen das Genick mit einem Schlag zu brechen.
    Was für eine schöne, mörderische Primaballerina der Lüfte!
    »Genug!« Castillo sagte es schwer atmend, als sei er nicht nur Choreograph dieses Tanzes gewesen, sondern auch Ausführender. »Genug getanzt, Lufttänzerin. Fliege heim in deinen Horst. Ich bin sicher, dass du Coco mit deiner Darbietung beeindruckt hast.«
    »O ja«, versicherte Coco und ertappte sich dabei, wie sie beinahe in die Hände geklatscht hätte. »Ich habe noch nie ein so vollkommenes Ballett gesehen – und schon gar nicht in dieser Form.«
    »Wenn Sie erst etwas länger hier sind, dann werde ich Ihnen auch die anderen Vorzüge meiner Tierchen zeigen«, versicherte Castillo, und Coco wusste, was er meinte. Sie wusste es so genau, dass es ihr unwillkürlich kalt über den Rücken lief.
    »Aber lassen wir es fürs Erste genug sein. Oder haben Sie noch irgendwelche Fragen?«
    Coco richtete den Blick unwillkürlich zu dem Haus in der Felswand, in dem sie erwacht war.
    »Dort werden Sie wohnen …«, hörte sie Castillo sagen.
    Ihre Augen wanderten von der Hütte weiter die Felswand hinauf, bis zu dem Horst, in dem der mächtige weiße Adler thronte. Ja, er hockte dort wie ein König, den Kopf gereckt, als gelte es, seine Untertanen im Auge zu behalten. Seine Haltung drückte aus, dass er sich seines Herrscherstatus durchaus bewusst war – Herr über Leben und Tod und über alles, was in diesem Canyon kreuchte und fleuchte.
    »Ich habe noch nie vorher ein solches Tier gesehen«, sagte Coco. »Dieser weiße Adler hat mir vorhin das Leben gerettet, als ich vom Felspfad abrutschte und in die Tiefe zu stürzen drohte. Olivaro sagte, dass ich mich bei Ihnen bedanken müsste, weil eigentlich Sie den Adler gelenkt hatten. Stimmt das?«
    »Es ist wahr«,

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