045 - Schizophrenia - Nächte des Wahnsinns
wieder an Ort und Stelle zu heben. Sie tanzte
weiter, klatschte in die Hände, und die Umstehenden begannen, im Takt
mitzuklatschen. Auch Iwan Kunaritschew führte die Hände zusammen.
Larry
hüstelte dezent. »Ein Gentleman, Brüderchen, sieht da nicht hin...«
»Und
was tust du, Towarischtsch?« fragte der Russe verwundert.
»Ich
habe nicht behauptet, daß ich ein Gentleman bin. Aber erinnern wir uns an den
Grund unseres Aufenthaltes. Hast du sie schon erblickt?« Diese Frage betraf
Morna Ulbrandson.
Die
schwedische PSA-Agentin hielt sich bereits seit drei Tagen in Mailand auf. Sie
hatte den Auftrag, als Touristin in dieser Nobel-Disko zu verkehren. Das hatte
einen besonderen Grund. Seit einiger Zeit verschwanden in Mailand spurlos
Frauen. Eine Sonderkommission der Kripo operierte seit Monaten erfolglos an
diesem Problem herum. Man vermutete, daß der Mörder oder Entführer in diesen
illustren Kreisen zu finden sein müßte, denn bei den Verschwundenen handelte es
sich bisher ausschließlich um Angehörige der Oberschicht.
Im Charly hatten sich kurz vor dem Verschwinden nachweislich zwei Opfer
aufgehalten und waren dann mit einem bisher unbekannten Mann davongegangen.
Seither wurden sie nicht mehr gesehen. Wie alle Meldungen über Verbrechen,
fanden auch die Vorfälle in Mailand Niederschlag in den Computer-Archiven der
PSA. X-RAY-1, der geheimnisvolle Leiter der Psychoanalytischen
Spezialabteilung, ein Mann, den kein Agent kannte, entschied sich für den
Einsatz seines erfolgreichsten Triumvirats. War es ein Zufall, daß ausgerechnet
in Mailand Menschen spurlos verschwanden, und zur gleichen Zeit ein
Spukphänomen in einem alten Palazzo die Bewohner dort in Angst und Schrecken
versetzte? Gab es zwischen beiden Vorgängen eine Verbindung?
Die
PSA war eine Sonderabteilung, und sie ging ausgefallene, unkonventionelle Wege,
um geheimnisvolle Verbrechen aufzuklären oder gar noch in ihrem Entstehen zu
bremsen. Morna Ulbrandson war als Köder ausgesandt worden. Eine attraktive,
alleinreisende Touristin, so hatte X-RAY-1 es sich vorgestellt, verkehrte ahnungslos in den Nobel-Kreisen, die offensichtlich das ausgesuchte Jagdrevier eines
Frauenentführers oder -mörders waren.
In
den Akten der Mailänder Kripo war der Vermerk aufgetaucht, man sähe sich an die
Zeiten erinnert, als ein Triebverbrecher namens Paolo Rasolini sein Unwesen
trieb, und Frauen es nicht mehr wagten, abends allein durch verlassene Straßen
und Parks zu gehen. Rasolini aber konnte nicht dahinterstecken. Er befand sich
in Gewahrsam einer sicheren Anstalt, in die man ihn seinerzeit eingeliefert
hatte. Kopierte ein anderer seine Taten oder steckte etwas ganz anderes
dahinter?
Durch
die Berichte, die Morna in den vergangenen Tagen an die PSA-Zentrale in New
York geliefert hatte, wußten Larry und Iwan, daß die Kollegin im Charly einen
eleganten Italiener kennengelernt hatte, der sich auffällig intensiv um sie
bemühte. Er hatte sich als Bankier ausgegeben und nannte sich Frederico
Roncolli. Er befand sich oft auf Reisen, machte Millionengeschäfte mit der
Errichtung von Supermärkten, Vergnügungs-Attraktionen, Industrieanlagen und in
Immobilien.
Diesen
Roncolli gab’s wirklich. Auch seine Tätigkeiten stimmten. Hatte er etwas mit
jenem Fremden zu tun, der gelegentlich im Charly auftauchte? Roncolli
war in gewissem Sinn ein Fremder. Er stammte nicht aus dieser Stadt, sondern
lebte in Florenz. Nun hieß es abwarten, was sich entwickelte und ob dieser
Roncolli eine Zufallsbekanntschaft war, oder gezielt auf Morna als
Einzelreisende ausgerichtet war.
»Tut
mir leid, Towarischtsch«, antwortete der Russe auf die letzte Frage seines
Freundes. »Weit und breit keine Spur von ihr.«
»Vielleicht
bewegt sie sich irgendwo im Getümmel auf der Tanzfläche«, murmelte X-RAY-3.
Die
nahen Tische und die Bar hatte er mit seinen Blicken abgesucht. Morna war
nirgends zu entdecken. Dabei hatten sie heute die Information von ihr erhalten,
daß sie sich mit Frederico Roncolli frühestens ab Mitternacht in der
Nobel-Disko aufhalten würde.
»Wähl
du schon mal die geistigen Getränke aus, Brüderchen«, sagte er beiläufig,
während er sich erhob. »Ich habe ein Mauerblümchen entdeckt, das sehnsüchtig
den Tanzenden zuschaut. Ich werde mich ein wenig um das Girl kümmern und mich
aufs Parkett wagen. Vielleicht trete ich bei dieser Gelegenheit dem blonden
Gift aus Schweden auf die Füße... wer weiß.«
Die
Dunkelhaarige mit dem feinen Gesicht wirkte
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