045 - Schizophrenia - Nächte des Wahnsinns
hören, wie ein Körper über den Fußboden geschleift wurde. Aus den
Lautsprechern drang ein leises, knackendes Geräusch. Es hörte sich an, als wäre
Mornas Hand irgendwo gegengeschlagen, ein Stuhl oder Tischbein etwa, gegen eine
Wand... X-GIRL-C war entdeckt worden!
Und
zwar in dem Augenblick, als sie ihre Funkbotschaft auf den Weg brachte. Nur
rund hundert Meter von ihnen entfernt spielte sich im Hotel Azzura vermutlich
ein Drama ab, in dem es möglicherweise um Leben und Tod ging. Da gab’s kein
Überlegen, kein Halten für die Freunde. Mit dem letzten Wort aus Mornas Mund
reagierten die beiden PSA-Agenten bereits. Iwan knallte eine größere
Lire-Banknote auf den Tisch, als Larry schon aufsprang. Die Agenten eilten zum
Ausgang. Das Mädchen, mit dem Larry getanzt hatte, blickte ihn entgeistert an
und rief etwas durch den Raum.
»Warum
so eilig, Signore? Keine Angst... beim nächsten Tanz werden Sie noch
geschont...«
Aber
weder Iwan noch Larry, dem die ironisch klingende Bemerkung in erster Linie
galt, bekamen auch nur ein einziges Wort mit. Sie rannten an dem Türvorsteher
vorbei auf die nächtliche Straße. Die Via Marconi lag direkt vor ihnen.
»Dort
vorn!« X-RAY-3 deutete auf den blauen Neonlichter-Kranz, in dem die Wörter Hotel
Azzura standen. Sie rannten, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter
ihnen her. Vor dem Hotel parkten viele Fahrzeuge. Ein Taxi fuhr gerade vor, ein
Paar stieg aus. Hundert Meter... wie lang die werden konnten.
Zimmer
415 lag in der vierten Etage. So schnell konnte derjenige, dem es gelungen war,
Morna Ulbrandson außer Gefecht zu setzen, gar nicht von der Bildfläche
verschwinden. Wieder verstanden sich die Freunde, ohne daß auch nur ein
einziges Wort gewechselt wurde. Larry Brent stürmte die Treppe zum Haupteingang
hoch, Iwan Kunaritschew verschwand um die Gebäudeecke, Richtung Ausfahrt
Tiefgarage. Der Portier des Azzura brüllte dem Amerikaner etwas nach,
doch der eilige PSA-Agent reagierte nicht darauf.
Larry
sah schon beim Durchqueren der Hotelhalle, daß beide Aufzüge sich in den oberen
Stockwerken befanden. Aufgrund des offensichtlichen Überfalls in Zimmer 415 war
nicht damit zu rechnen, daß der Täter mit seinem Opfer den Aufzug benutzte.
Auffälliger könnte sein Verschwinden nämlich nicht versucht werden. Wenn Morna
Ulbrandson allerdings tot war, sah die ganze Geschichte schon anders aus. Dann
konnte sich der Mörder innerhalb der wenigen Sekunden, die sie für den Herweg
benötigt hatten, aus dem Staub gemacht haben…
Aber
an die Möglichkeit, daß es Morna nicht mehr geben sollte, wollte er nicht
denken. Kraftvoll jagte er auf den mit rotem Teppich ausgelegten Marmorstufen
nach oben. In jeder Etage ging ein schneller Blick zur Leuchtanzeige der
Aufzüge. Sie standen immer noch in der fünften Etage...
Als
der Agent sich im dritten Stockwerk befand, veränderte sich die Etagenanzeige
über dem rechten Lift. Er wurde nach unten geholt. Zwei Sekunden verharrte
Larry in der Bewegung. Der Lift glitt am vierten Stock vorbei, rauschte weiter
nach unten, und X-RAY-3 legte einen letzten Spurt ein, um in Rekordzeit die
nächste Etage zu erreichen. Rotseidene Tapeten, an den Wänden zwischen hohen,
weißen Türen kleine Lampen mit roten Schirmen...
Große
Gemälde mit italienischen Landschaften, gefaßt in schwere, goldene Rahmen...
Viel Prunk... Das Azzura gehörte zu den ersten Häusern im vornehmen
Viertel der Piazza Duomo. Stuckarbeiten zierten die Decke, mächtige Säulen
imponierten. Ein altes Haus und doch modern! Jeder Umbau hatte das Azzura noch
geräumiger, noch großzügiger werden lassen. Der breite Korridor führte zwischen
den Zimmertüren entlang. In großen, künstlerisch gestalteten Messingziffern
prangten die Nummern auf den weißen Türen. Zimmer 415... Schon von weitem sah
Larry Brent, daß sie halb offen stand...
●
Sein
Herz schlug bis zum Hals, als er dort ankam. Der schnelle Lauf hatte ihn kaum
außer Atem gebracht und seinen Herzschlag beschleunigt. Sein sportlich
durchtrainierter Körper wurde mit solchen Extremsituationen mühelos fertig. Es
war etwas anderes, das sein Herz pochen ließ... Die Sorge um Morna, mit der ihn
mehr verband, als kollegiale Freundschaft. Er stieß die Zimmertür nach innen.
Sein suchender Blick schweifte über den Boden, das Bett... Auf dem grün-braun
gemusterten Teppichboden waren zwei parallel laufende, hellere Streifen zu
sehen. Eine Schleifspur, offensichtlich verursacht von Mornas
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