045 - Schizophrenia - Nächte des Wahnsinns
später trat Ramonez hinter Büschen und Stämmen vor und sah eine
hohe Mauer mitten im Wald, die wie ein Wall vor ihm aufragte. Die Umzäunung
der Nervenheilanstalt des Dr. Falco, vermutete er. Und in der Mauer, ein
eisernes Tor...
Geduckt
lief der Agent darauf zu. Er näherte sich der Wand und hörte in der Ferne,
jenseits der Mauer, knirschende Schritte. Sie wurden schwächer und verebbten
dann ganz. Der nächtliche Herumstreicher war vom Anstaltsgelände gekommen. Um
einen Insassen konnte es sich schwerlich gehandelt haben. Der Betreffende hatte
schließlich einen Schlüssel besessen. Also mußte es jemand vom Personal sein.
Ramonez ließ keine unnötige Sekunde verstreichen. Er überlegte nicht lange.
Einen Spezialschlüssel hatte er immer dabei, damit ließ sich jedes Schloß
öffnen.
Die
Berichterstattung der jungen Italienerin stand wieder deutlich vor seinem
inneren Auge. Ginas Worten nach zu urteilen, war an ihrem Freund ein
schrecklicher Mord verübt worden. Vielleicht hatte sich der wahnsinnige Täter
die ganze Zeit über noch am Ort des Verbrechens aufgehalten und hielt sich dort
versteckt.
War
er nun noch dabei, die Spuren seines grauenvollen Verbrechens zu beseitigen?
Juan y Ramonez setzte den Universalschlüssel ein. Als PSA-Agent durfte er nicht
zögern und mußte am Ball bleiben. Dieser Zufall konnte zu einem schnellen und
unerwarteten Erfolg führen. Wenn ein Körnchen Wahrheit an der
Alptraum-Darstellung Ginas war, dann kam nur ein Wahnsinniger als Täter in
Betracht. Und diesem Wahnsinnigen war er möglicherweise auf der Spur. Der
grasüberwachsene Trampelpfad führte durch einen verwilderten Park und mündete
auf einem festgetretenen Weg. Zwischen den Bäumen erkannte Ramonez ein kleines
altes Haus. In den matten Fenstern spiegelten sich die Bäume. Ein Wohnhaus…
Eine
Tür klappte. Die Gestalt, die er bisher verfolgt aber kein einziges Mal zu
Gesicht bekommen hatte, schien am Ziel angelangt zu sein...
●
Dr.
Giuseppe Falco erwachte plötzlich.
War
da nicht ein Geräusch gewesen? Der Arzt lauschte in die Dunkelheit. Zehn,
fünfzehn Sekunden vergingen. Alles blieb still...
Falco
gähnte, drehte sich auf die andere Seite, und schlief wieder ein. Er hatte sich
getäuscht, glaubte er...
Aber
im Haus war wirklich jemand. Eine dunkle Gestalt verschmolz mit der Finsternis.
Draußen vor der Tür stand der spanische PSA-Agent. Er hatte das Klappen der Tür
vernommen. Die alte, verwitterte Holztür, an der es kein Namensschild gab, lag
vor ihm. Sie war nicht verschlossen.
Hierher
war der Unbekannte geflohen. War er hier zu Hause? Unzählige Fragen drängten
nach dem, was er aus dem Mund der geschockten Gina gehört hatte, auf eine
Antwort. Vielleicht war auch alles ganz anders, und Ginas furchtbare
Alptraum-Szene existierte nur in ihrer Vorstellung. Die Wirklichkeit konnte
ganz anders sein. Er wußte nichts über die Italienerin. Doch das alles würde
sich klären. Juan y Ramonez war bereit, sich auch einer unbequemen Situation zu
stellen. Sollte wirklich in diesen Minuten Dr. Falco heimgekehrt sein, dann
würde er ihm im nächsten Moment gegenüberstehen, und dann mußte er sich
erklären.
X-RAY-9
legte die Hand auf die Klinke und drückte sie herab. Handtuchschmal und winzig
war der Korridor, der vor ihm lag. Ramonez ließ die kleine Taschenlampe
blitzen, wie jeder PSA-Agent sie bei sich hatte. Der Lichtstrahl wanderte über
den Dielenfußboden, über die schmutzigen Wände, das wackelige Geländer einer
Treppe, die steil nach oben führte, und über die Tür, die vor ihm lag. Im
Korridor hingen an einem verschnörkelten, messingfarbenen Garderobenhaken ein
blaues und ein braunes Jackett und ein weißer, nicht mehr ganz sauberer Kittel.
Das Haus war bewohnt.
Aber
dieser Bewohner schien keinen großen Wert auf besondere Sauberkeit zu legen
oder hatte keine Gelegenheit dazu. Auf der Ablage unterhalb eines
goldgerahmten, matten Spiegels lag fingerdick der Staub. Die Fußbodendielen
waren grau und ausgewaschen und hätten mal wieder gewachst werden müssen. Ein
fadenscheiniger Teppich, der die Hälfte des Bodens bedeckte, enthielt
faustgroße Löcher und war reif für den Sperrmüll.
»Hallo?«
sagte Ramonez klar und deutlich. »Ist da jemand?«
Er
wußte, daß jemand hier war, schließlich hatte er selbst beobachtet, daß das
Haus betreten worden war. An den Wänden und der Decke klebten fette Fliegen. In
den Ecken spannten sich große Spinnennetze, in denen einige der fetten
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