0452 - Udexa kommt
dauerte nicht mehr lange. Die Bewegungen wurden schwächer, auch das Wasser schäumte nicht mehr so stark, und die Wellen liefen allmählich aus.
»Den hole ich mir!« Suko stampfte vor, die Peitsche noch griffbereit. Er brauchte sie nicht mehr einzusetzen. Aus dem flachen Uferwasser wurde das Monstrum an die Oberfläche gespült. Wir sahen von ihm nur seinen Rücken.
Suko bückte sich und schleuderte es herum.
Mir war schon aufgefallen, daß sich der Kopf verändert hatte. Jetzt sah ich es deutlich und noch deutlicher trat es hervor, nachdem wir die Gestalt zu uns herangezogen hatten.
Zwischen den Armen der abgestorbenen Bäume blieb es leblos hängen, so daß wir es genau beobachten konnten und auch feststellten, daß es uns nicht mehr gefährlich wurde.
Ich ging hin.
Ein menschlicher Schädel kam zum Vorschein. Die Schuppenhaut der Kröte floß ab, als hätte jemand mit einem Tuch kurzerhand über diese Stellen gewischt.
Die Magie der Peitsche war stärker gewesen. Ein bleiches, menschliches Gesicht mit starren Augen lag vor, während sich am Kinn die letzten Reste der Krötenhaut zusammenballten und zwischen das bleiche Geäst tropften, wo sie auch von den Wellen erfaßt und weggeschafft wurden.
Wenn Suko dämonische Wesen mit seiner Peitsche traktierte, blieben zumeist tiefe Wunden zurück. Das war hier nicht der Fall. Im Gesicht des Toten sahen wir keinerlei Verletzungen.
»Er sieht fast friedlich aus«, meinte Suko und hob die Schultern.
»Jedenfalls ist er von Udexas Fluch erlöst.«
Ich gab ihm recht. »Nur hätte der eine Mord nicht zu sein brauchen.«
»Machst du dir Vorwürfe?«
»Ja, es hat nichts gebracht, daß ich in die Mulde geklettert bin. Wir hätten den Blinden auch nicht zurücklassen sollen.« Ich atmete stöhnend. »Einmal möchte ich den Tag erleben, wo ich keinen Fehler mehr begehe.«
»Dann müßtest du ein Übermensch sein.«
»Und das wäre auch nicht gut.«
»Komm, Alter, wir nehmen beide mit.« Suko schlug mir auf die Schulter.
Gemeinsam luden wir die Leichen ins Boot, bevor wir den Kahn lostäuten. Ich hatte schon die Ruder genommen, während Suko an Bord kletterte. Er warf einen Blick auf die Uhr.
»Schon später Nachmittag. Bis wir wieder am Bootssteg sind, ist es Abend geworden.«
»Wahrscheinlich.«
Suko griff nach einem Ruder. »Und Udexa?«
Ich warf einen Blick auf die beiden toten Brüder. Sie lagen am Heck des Kahns. »Keine Ahnung. Bisher haben wir nichts von der Bestie gesehen. Mich wunderte eigentlich, daß sie stillhält, obwohl wir einen ihrer Diener auf dem Gewissen haben.«
»Du sprichst mir aus der Seele.«
Gemeinsam ruderten wir wieder in das freie Gewässer zurück.
Abermals wurden wir auf dem Weg durch das tote Wasser von fauligen Ästen und Zweigen begleitet. Manchmal trieben auch Teile abgefallener und abgerissener Baumkronen durch die Flut. Dabei streckten sie ihr Geäst wie ein Filigran aus dem Wasser.
Der Sumpf stank.
Es war ein mieser Geruch, der uns entgegenwehte. Über dem Wasser lagen die dünnen Dunstschleier. Möglicherweise verdichteten sich die Gespinste am Abend oder in der Nacht zu dicken Nebelschwaden, so daß man sich überhaupt nicht mehr in den Sumpf hineintrauen konnte.
Hin und wieder trieben uns auch Schwefeldämpfe entgegen. Woher sie stammten, sahen wir nicht. Die vor uns liegende graue Fläche bewegte sich nämlich kaum.
Die leicht klatschenden Geräusche der eintauchenden Ruderblätter begleiteten unseren langen Rückweg. Manchmal knarrte das Holz oder die Metallhalterung der beiden Ruder meldete sich knirschend.
Mückenschwärme hatten sich zu zuckenden, tanzenden und schon dunklen Wolken verdichtet. Sie huschten über das Wasser wie sich drehende, breite Spiralen.
Weit vor uns schimmerte das erste Grün. Da wuchsen die kleinen Grasinseln mit ihrem tückischen Untergrund aus dem Sumpfsee.
Wenn wir sie erreicht hatten, war schon viel gewonnen.
Bis sich plötzlich eine der grünen Inseln bewegte. Zuerst hatte ich an eine Täuschung geglaubt, aber Suko, der neben mir hockte, ließ sein Ruder ebenfalls los und starrte nach vorn.
»John, da stimmt was nicht!«
Und ob da etwas nicht stimmte. Mit einer wahren Urgewalt und so, als wäre unter der Insel auf dem Grund des Sumpfes etwas mit ungeheurer Wucht explodiert, flog das Grasstück in die Höhe. Begleitet von schaumigen Wassermassen, schwarz glänzenden Baumresten, Schlamm und Dreck, der zuvor auf dem Grund gelegen hatte.
Explodiert war dort nichts.
Jemand
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