0452 - Udexa kommt
hatte er mitgenommen. Suko war es gelungen, uns einen Weg zu bahnen, so brauchten wir nicht erst durch das hohe Unterholz zu laufen.
Die alten Zweige knackten wie Knochen unter unserem Gewicht zusammen, wenn wir über sie hinwegschritten. Jetzt war es gut, daß ich den Blinden festhielt und ihn weiterführte, genau dorthin, wo Suko auf uns wartete.
Die abgestorbenen Baumreste hatten sich nur am Ufer gehalten.
Auf der Inselmitte sah es anders aus. Zwar wuchs dort auch kein grünbraunes Sumpfgras, es blühte auch nichts im Schatten irgendwelcher jungen Bäume, aber wir sahen auch nicht Udexa, die Krötenbestie.
Eine leere, töte, graue Insel lag vor unseren Augen. Umrandet war sie von abgestorbenen Bäumen und schmutzig wirkendem Sumpfwasser.
Selten war für eine Gegend eine so treffende Bezeichnung gefunden worden.
Hier gab es tatsächlich nur das tote Wasser.
»Wo ist denn Udexa?« fragte Suko, als wir ihn erreicht hatten und neben ihm stehenblieben.
Fenton warnte uns. Er hob seinen Stock halb hoch. »Seid froh, daß ihr sie nicht seht. Seid nur froh. Udexa hätte euch sonst verschlungen. Sie ist gefräßig und gierig, eben eine Bestie.«
»Dann lebt sie also nicht auf dieser Insel?« hakte ich nach.
Fenton lachte. »Wie sollte sie auf einem so kleinen Flecken existieren können!«
»Flecken ist gut«, wiederholte ich. »So klein ist die Insel auch wieder nicht.«
»Wenn ihr Udexa seht, werdet ihr anders reden«, warnte uns der blinde Fenton.
»Dann lebt sie zumeist versteckt?«
»Ja, das tote Wasser ist ihre Heimat.«
Ich schaute unwillkürlich über die Insel hinweg, aber auf der grauen Fläche tat sich nichts. Sie lag in einer trügerischen Ruhe. Da kein Wind wehte, wurden auch keine Wellen produziert. Nur hin und wieder stiegen Blasen an die Oberfläche.
Vom normalen Ufer sahen wir nichts mehr. Wir standen tatsächlich mitten im Sumpf. Wenn man unser Boot stahl, sahen wir bescheiden aus.
»Geht über die Insel. Vielleicht findet ihr etwas!« bat uns der Blinde. »Ich bleibe hier.«
»Was könnten wir denn finden?«
»Es muß hier eine Mulde geben, wo er die Opfer für Udexa hingeschafft hat.«
»Ihr Helfer?«
»Ja.«
»Lebt er auf der Insel.«
»Nein, aber er wird wissen, daß wir gefahren sind. Vielleicht ist er uns nachgekommen.«
»Wir haben kein Boot gesehen.«
Die Mundwinkel des Blinden zuckten. »Das braucht er nicht. Er kann schwimmen.«
»Diese Strecke?«
»Vergiß nicht, John, was ich dir von seinem Schädel erzählt habe. Der hat, wenn ich recht darüber nachdenke, ebenfalls ausgesehen wie ein Krötenmaul. Hier können wir noch einige Überraschungen erleben.«
Ich hob die Schultern und folgte meinem Freund. Der Inselboden wirkte wie verbrannt. Als hätte irgendwann jemand ein Feuer entfacht und die gesamte Flora vernichtet.
Suko, der einige Schritte vorgegangen war, erreichte die Mulde auch als erster, blieb an dessen Rand stehen und deutete in die Tiefe.
»Da, er hat recht gehabt.«
Die Stimme meines Freundes hatte belegt geklungen. Den Grund erkannte ich sehr bald.
Die Mulde war nicht leer.
Weiß und fahl schimmerte das menschliche Gebein. Wie abgenagt kam es uns vor.
Ich holte tief Luft, und Suko sprach das aus, das ich dachte.
»Es sind die Knochen der Menschen, die verschwunden waren und nie wieder auftauchten.«
»So ist es. Andere wurden nicht angenommen. Sie kehrten als Wahnsinnige zurück.«
Ich setzte einen Fuß vor, und Suko fragte mich: »Willst du in die Mulde?«
»Eigentlich ja.«
»Und dann?«
»Vielleicht entdecke ich irgendeinen Hinweis auf Udexa. Außerdem denke ich dabei an seinen Helfer.«
»Dann geh.«
Mich überkam schon ein komisches Gefühl, als ich schräg den Muldenhang hinabrutschte. Er war mit verfaultem, plattgewalzten Gras bewachsen, aber die Knochen hatten sich in der Mulde gesammelt. Einige klapperten hohl gegeneinander, als ich mit den Füßen gegen sie stieß. Zwei, drei zerbrachen, denn ich konnte nicht ausweichen. Schädel entdeckte ich ebenfalls in der Mulde.
Teilweise noch erhalten, aber auch gesplittert. Und nicht nur menschliches Gebein befand sich in der Mulde, auch Tierknochen sah ich.
Ich bin kein Zoologe und wußte nicht, welche Tiere hier abgenagt worden waren.
Nach einiger Zeit hatte ich mich an meine makabre Umgebung gewöhnt. Ich hob die Knochen sogar an, um sie zu prüfen, schaufelte sie auch zur Seite, weil ich die einzelnen Stellen des Muldenrands absuchen wollte, aber ich fand nichts.
Keinen
Weitere Kostenlose Bücher