0455 - Gangstertod durch süßes Gift
ich sagen. Hager. Dunkle Augen. Strohhut.«
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«, fragte Phil.
»Bestimmt.«
»Auch auf einem Foto?«
Kelly rümpfte die fleischige Nase. »Darauf möchte ich mich nicht festlegen. Ich bin seit dreißig Jahren verheiratet. Von meiner Frau existieren Bilder, wo sie wie eine Fremde aussieht. Wenn ich nicht mal die eigene Frau auf Fotos erkenne, wie soll ich da einen Unbekannten identifizieren?«
»Sie könnten es versuchen«, meinte Phil.
»Sicher, das will ich gern tun«, sagte der Dicke grimmig. »Der Mörder muss geschnappt werden. Joe war ein prima Kerl. Nicht zu fassen, wohin diese Welt gekommen ist. Sie müssen den Killer kriegen, hören Sie?« Er fummelte sich mit dem Taschentuch in dem hochroten schweißfeuchten Gesicht herum. »Dabei steht nicht mal fest, ob es dieser Kerl tatsächlich war…«
»Ich schaue mich mal in dem Trailer um«, sagte ich und ging in die Snack-Bar.
Ich sah die beiden ungeleerten Kaffeetassen auf dem Tresen stehen und den Teller, von dem gegessen worden war. Ich stellte fest, dass der Unbekannte seinen Kaffee schwarz getrunken hatte. Das war nicht gerade umwerfend viel. Aber zuweilen sind es Kleinigkeiten dieser Art, die das Zusammensetzen eines Tatmosaiks entscheidend beeinflussen.
Als ich zurückkam, standen Phil und der dicke Kelly vor der Glasbox. »Na?«, fragte Phil.
»Ich habe eine Idee«, stellte ich fest. »Sie ist noch sehr vage, aber ich glaube, es dürfte sich lohnen, ihr einmal nachzuspüren.«
Phil grinste. »Ich habe gelernt, die Tatsache zu akzeptieren, dass deine Ideen sich meistens auszahlen.«
»Nicht, so weit es die Höhe des Monatsgehaltes betrifft«, erklärte ich und erwiderte Phils Grinsen.
»Wie kannst du nur so profan sein, an die materielle Seite zu denken?«, fragte er spöttisch.
»Eine sicherlich ungemein bedauernswerte Charakterschwäche«, gab ich zu.
»Welch ein Glück für das FBI, dass dir kaum Zeit bleibt, dich mit dieser Frage eingehender zu beschäftigen«, sagte Phil. »Im Allgemeinen zwingt dich der Job dazu, an andere Probleme zu denken, an Probleme wie dieses hier.«
»Packen wir es gleich an«, sagte ich. »Heiße Spuren darf man nicht kalt werden lassen.«
***
Sie lag auf der Couch und trug einen türkisf arbenen Bikini. Beide Arme hatte sie unter dem Kopf verschränkt. Wahrscheinlich hatte sie die textilsparende Aufmachung gewählt, weil sie unter der Hitze litt. Es war nämlich in dem großen elegant eingerichteten Wohnzimmer sehr heiß.
Zwischen den roten Lippen der jungen Frau klemmte eine Zigarette. Neben ihr, auf dem Boden standen ein Ascher und ein Tablett. Das Tablett trug eine Whiskyflasche, einen Isolierbehälter mit Eiswürfeln und ein leeres Glas.
Sie hieß Eunice Patterson und war 24 Jahre alt. Sie wohnte in einem 5-Zimmer-Apartment der 5th Avenue.
Eunice hatte Geschäftssinn eines texanischen Ölmagnaten, den Charme einer Nachtklubsängerin und die Moral einer Kanalratte. Eunice war die Freundin von James Roderick. Das Hausmädchen hatte mich hereingelassen. Eunice hatte mir beim Eintritt in das Wohnzimmer zugelächelt, ohne den Versuch zu machen, sich zu erheben. Jetzt saß ich am Kopfende der Couch.
»Die Klimaanlage ist im Eimer«, sagte Eunice. Sie hatte zwar gelernt, wie eine große Dame aufzutreten, aber ihre Sprache wies immer noch auf Brooklyns Hinterhöfe hin. »Das erklärt meine Aufmachung. Meinetwegen können Sie auch einen Whisky kippen.«
»Wenn es Ihnen recht ist, lasse ich mich mit ein paar Antworten abkühlen«, sagte ich.
Eunice kräuselte die Lippen. »Wer sagt Ihnen, dass es kühle Antworten sein werden? Sie gefallen mir, Mr. Cotton. Sie sind einer von den wenigen Männern, deren Zuneigung man sich wünscht und an die man nie herankommt. Ich komme immer nur an Männer heran, die ich mir nie gewünscht habe.«
»Na na«, dämpfte ich. »Was ist denn mit James?«
»James«, sagte sie verächtlich. »Bei dem bin ich abgemeldet.«
»Seit wann?«
»Ich habe ihn vor vier Monaten das letzte Mal gesehen. Er macht auf vornehm. Will sich partout eine Society-Puppe schnappen. Na ja, das ist seine Sache.«
»Das Mädchen ist tot.«
Eunice wandte den Kopf und starrte mich an. Sie zog einen Arm unter dem Kopf hervor und nahm die Zigarette aus dem Mund. »Tot?«, echote sie.
»Ermordet«, sagte ich ruhig und beobachtete genau Eunices Reaktion.
Das Mädchen sah nachdenklich aus. »Roderick war es nicht«, sagte sie dann. »Es wird ihn hart treffen. Er war ganz
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