0455 - Gangstertod durch süßes Gift
Joe Ramsegger. Die Ermittlungsarbeiten in beiden Fällen waren miteinander verkoppelt worden, weil ich den-Verdacht geäußert hatte, dass irgendwelche Zusammenhänge bestünden.
»Ich kann Ihnen eine interessante Mitteilung machen«, meinte Ashwood.
»Schießen Sie los.«
»Der Mann, den wir suchten, hat noch zwei andere Raubüberfälle auf Tankstellen verübt.«
»Sie sind ganz sicher, dass es derselbe Mann war?«
»Die Zeugenbeschreibungen passen haargenau auf ihn«, meint Ashwood. »Auch der Wagen. Er benutze einen blauen Plymouth. Wir haben sogar das Kennzeichen. Der Wagen gehört einem Schneider aus Brooklyn. Der Schneider war sehr verblüfft, als er hörte, dass sein Wagen nicht mehr in der Garage steht. Der Mörder hat den Wagen gestohlen.«
»Wann geschahen die Überfälle?«
»Einer passierte etwa zwanzig Minuten vor dem Raubmord an Ramsegger, der andere eine Stunde später, ebenfalls in Long Island, und zwar kurz vor Wyandanch.«
»Sind die Opfer verletzt worden?«
»Nicht sehr schlimm. Der Gangster hat sie mit dem Pistolenknauf niedergeschlagen. In einem Fall erbeutete er einundzwanzig Dollar, im anderen dreiundsiebzig.«
»Hm«, machte ich und gab mir Mühe, das Geschehene richtig einzuordnen. Ashwood nahm mir die Arbeit ab. Er sagte: »Ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu erklären, dass damit Ihre Theorie zusammenfällt, Cotton.«
»Welche Theorie?«
»Na, die Annahme, dass der Hagere und sein Mord an Ramsegger irgendwie eine Beziehung zu dem Tod von Phyllis Thorsten haben.«
»Da kann ich Ihnen nicht folgen, Lieutenant.«
»Der Hagere ist ein ganz gewöhnlicher Ganove, ein Mann, der sich darauf spezialisiert hat, einsam liegende Tankstellen auszuplündern. Er macht normalerweise von der Schusswaffe keinen Gebrauch; jedenfalls knallt er damit nicht in der Gegend herum. Ramsegger muss ihn angegriffen oder sich verteidigt haben.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, halte ich an meiner Theorie fest. Die beiden anderen Raubüberfälle können begangen worden sein, um unsere Ermittlungsarbeiten auf eine falsche Fährte zu lenken. Dem Täter liegt offenbar viel daran, dass wir ihn als Räuber betrachten.«
»Was hätte er davon? Er ist ein Räuber.«
»Es geht nicht um ihn. Es geht um das, was der Drahtzieher des Verbrechens wünscht.«
»Sie denken an Roderick?«
»Ja.«
»Ich weiß, dass Sie ihn verdächtigen«, meinte Ashwood. »Es wäre natürlich verlockend, ihm die Schuld an dem Verbrechen nachzuweisen, aber ich sehe keine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Er hat einfach nichts mit den Morden zu tun. Es gibt kein Tatmotiv für ihn. Er wollte das Mädchen heiraten und hatte keinen Grund, sie zu töten.«
»Haben Sie schon sein Alibi kontrolliert?«
»Nein, aber das ist der einzige Punkt, der ihn belastet. Er war nachweislich in Long Island. Zur Zeit der Tat will er sich auf der Heimfahrt befunden haben. Das kann natürlich zutreffen.«
Mir gingen noch einige Dinge durch den Kopf, die ich Ashwood gern gefragt hätte, aber da Eunice, die sich inzwischen wieder auf die Couch gelegt hatte, jedes von mir gesprochene Wort mithörte, beendete ich das Gespräch.
Es klingelte. Eunice erhob sich stirnrunzelnd. »Wer ist denn das nun wieder?«
Ich hörte, wie das Mädchen Clöe durch die Diele ging und die Tür öffnete. »Oh, Mr. Roderick«, rief sie aus. Dann folgte unverständliches Tuscheln. Es lag auf der Hand, dass sie Roderick von meiner Anwesenheit informierte.
Ich warf einen Blick auf Eunice. Sie sah nervös aus. Ich ging zur Tür und betrat die Diele.
Roderick lächelte, als er mich sah. Es war das verbindliche Lächeln eines Mannes, der jedem Fremden Entgegenkommen beweist. Dann wandte er sich wieder dem Mädchen zu. »Es eilt nicht, Cloe. Ich kann morgen wiederkommen. Oder übermorgen.«
Er stand genau auf der Schwelle, bekleidet mit einem dunkelblauen Anzug und auf Hochglanz polierten schwarzen Halbschuhen. Im Revers des Anzuges steckte die unvermeidliche Nelke. Er sah elegant und gepflegt aus. Von der Trauer, die er empfinden sollte, war nichts zu spüren.
Er hob eine Hand. »Viele Grüße an Eunice…«
Weiter kam er nicht. In diesem Moment fielen zwei Schüsse. Es waren die lautesten Schüsse, die ich jemals ge- hört hatte. Sie fielen irgendwo hinter Roderick im Hausflur. Die Resonanz im Treppenhans war gewaltig. Das Donnern von Kanonenschlägen hätte kaum mehr Lärm machen können.
Ich sah, wie Roderick zusammenzuckte. Es war, als sei sein Körper das Opfer von
Weitere Kostenlose Bücher