0455 - Gangstertod durch süßes Gift
es nicht zu Mr. Highs Praktiken, uns auf kleine Fische anzusetzen, aber erstens herrschte gerade 8 eine leise Flaute, und zweitens witterte Mr. High hinter dem Geschehen bedeutend mehr, als sich dem flüchtigen Beobachter auf der Oberfläche zeigte.
Phil und ich klemmten uns in den Jaguar und fuhren hinaus nach Long Island. Phil erzählte mir etwas über die Rahmenkonstruktion des neuen Lotus-Rennwagens und über die Chancen, die er dem neuen Ford-Cobra gab. Es war angenehm, einmal nicht von dienstlichen Dingen sprechen zu müssen, nicht über Mord, Gewalt und Verbrechen.
Der Jaguar schnurrte kreuzbrav und so sittsam über die sonnengebadeten Straßen, als wäre er nur für komfortable Spazierfahrten gebaut worden, und der Gedanke an General Thorsten und sein betrübliches Missgeschick hatte nicht die leiseste Chance, unser Wohlbefinden zu trüben.
Wie gesagt, wir rechneten nur mit einem aufgeregten alten Herren und einem Routinefall, aber stattdessen fanden wir eine Tote.
Sie war die attraktivste Tote, die Phil und ich jemals zu Gesicht bekommen hatten. Unglaublich jung, unglaublich schön, unglaublich kalt.
Aber ehe wir sie fanden, trafen wir den General. Er sah aus wie sein eigenes Denkmal, groß, herrisch und sehr selbstsicher. Er begrüßte uns freundlich, wenngleich eine kaum spürbare Distanz in seinem Wesen andeutete, dass er zwischen seiner und unserer Bedeutung eine beträchtliche Lücke klaffen sah.
Nun, Phil und ich waren nicht gekommen, um einen Vergleich historischer Größe herauszufordern. Wir wollten einen Fall lösen, der uns übertragen worden war, und stellten die Fragen, die damit zusammenhingen.
Thorsten entpuppte sich als fabelhafter Zeuge. Er gab kurze und pulvertrockene Antworten. Prägnant, genau. Das Geschehene zeichnete sich rasch ab.
»Natürlich ist es möglich, dass der Bursche mich bewusst irrezuführen versuchte«, meinte der General, »aber ich möchte wetten, dass er tatsächlich ein Deserteur ist. Können Sie mit der Beschreibung etwas anfangen?«
Phil und ich nickten, als wären unsere Köpfe auf Draht gezogen. Er erhob sich. »Das wäre wohl alles«, sagte er. »Bestellen Sie Mr. High bitte meine Grüße. Ich verfolge seine Arbeit mit Bewunderung und Sympathie.«
Phil und ich standen auf. »Wir haben noch einige Fragen, Sir«, sagte ich.
Thorsten sah verblüfft aus. Er war es gewohnt, Umfang und Inhalt einer Konversation zu bestimmen und war offenbar der Ansicht, schon alles gesagt zu haben, was für die Lösung des Falles bedeutsam war. Er setzte sich wieder. Phil und ich folgten seinem Beispiel.
»Fragen Sie«, sagte er kurz.
»Sie erwähnten vorhin, dass ein gewisser Roderick den Eindringling in die Flucht geschlagen hat«, bemerkte ich. »Handelt es sich dabei um Mr. James Roderick?«
Thorstens Augen waren helle kalte Schlitze, die mich interessiert musterten. »Sie kennen James?«
Es war das erste Mal, dass er eine Gegenfrage stellte. Ich schloss daraus, dass ihm der Themawechsel nicht be- hagte. Phil und ich wechselten einen Blick. »Ja, ich kenne ihn.«
Thorsten räusperte sich. »Ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Er will Phyllis heiraten. Phyllis ist meine Tochter. Ich habe bislang gegen Rodericks Absichten opponiert. Ich hielt Roderick für einen Emporkömmling ohne Rückgrat, für einen Parvenü… aber nach dem, was ich heute Nachmittag erleben musste, sehe ich mich gezwungen, dieses Urteil zu revidieren. James ist ein sehr mutiger Mann.«
»Wo ist er jetzt?«
»Er musste in die Stadt.«
»Wo ist Ihre Tochter?«
»Ebenfalls in der Stadt.«
»Ist Phyllis bereit, ihn zu heiraten?«
Thorsten seufzte. »Sie bewundert James. Ich begreife allmählich, dass sie ihn faszinierend findet. Ich fand die Pomade in seinem Haar abstoßend und unmännlich. Das war falsch. Es ist unmöglich, einen Menschen nach seinen kosmetischen Gewohnheiten zu beurteilen.«
»Wie alt ist Ihre Tochter?«
»Zwanzig.« Er lächelte. »Ich war achtundfünfzig, als sie geboren wurde. Die Mutter lebt unweit von Cincinatti. Wir sind nicht geschieden, aber wir glauben, dass die gegenwärtige Lösung harmonisch und für beide-Teile befriedigend ist.«
Wir saßen auf der Terrasse. Es war noch immer sehr heiß, obwohl uns die aufgespannte Markise Schatten spendete. Ich blickte in den Garten und dachte, wie oft es in unserem Beruf geschieht, dass schon bei der ersten Vernehmung die merkwürdigsten Dinge ans Tageslicht kommen. Man verhaftet einen Mörder und findet statt eines harten,
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