0458 - Der Zombie-Zug
erinnerte an einen hellen Stachel. Darunter war der Mund kaum zu sehen, und am eckig wirkenden Kinn wiederholte sich der Borstenstreifen des Barts, hatte dort aber eine rötliche Färbung angenommen.
»Guten Abend, Mrs. Claim«, grüßte der Polizist höflich.
Die Frau nickte zurück. »So spät kommen Sie noch zu mir, Konstabler?«
»Ich hatte gerade in der Nähe zu tun und wollte vorbeischauen. Wie geht es Ihrem Mann?«
»Gilbert?« Sie staunte den Polizisten an und trat einen Schritt zurück. Dabei sah es so aus, als wollten ihre Beine jeden Moment nachgeben. »Gilbert… er … er ist vor einer halben Stunde …«
Field ließ die Frau nicht erst ausreden. Er sprang über die Schwelle und stützte Mrs. Claim ab. »Mein Gott, was ist mit Ihnen, und was ist mit Ihrem Mann?«
»Tot«, hauchte sie. »Er ist tot…«
James Field schloß für einen Moment die Augen. Er hielt die Frau fest, sonst wäre sie noch vor Schwäche zusammengebrochen. So zitterte sie in seinem Griff und bekam nicht einmal mit, daß ihr Besucher sacht die Tür zudrückte.
Einige Sekunden gab er ihr Zeit. Sie weinte, sehr leise nur, aber es war trotzdem zu hören. Als er glaubte, daß sie sich wieder etwas erholt hatte, drückte er den Kopf der Frau hoch. »Kommen Sie, ich bringe Sie jetzt in die Küche.«
Madge erwiderte nichts und ließ sich anstandslos wegführen. Am Tisch stand noch ein zweiter Stuhl, auf dem sonst Gilbert gesessen hatte. Jetzt nahm James darauf Platz.
Die Kerze war bis auf einen daumendicken Stummel heruntergebrannt. Field wollte das Licht einschalten, aber die Frau wehrte sich.
Sie bat den Mann, aus der Küchenschublade eine neue Kerze zu holen.
Er kam der Bitte nach und zündete den Docht an der Flamme der ersten Kerze an. Etwas Wachs träufelte er auf den Teller und klebte die Kerze fest. Dann erkundigte er sich nach einem scharfen Getränk.
»Im Küchenschrank muß noch Gin sein.«
Der Konstabler fand nicht nur den Gin, auch zwei Gläser. Im Gegensatz zur Flasche waren sie sauber. Field pustete den Staub von der Flasche und schenkte die Gläser zu je einem Drittel voll. »Da sollten Sie mal einen kräftigen Schluck nehmen, Mrs. Field.«
Sie zögerte, ihre Mundwinkel zuckten. James mußte ihr das Glas förmlich in die Hand hineindrücken und sie dann zum Mund führen. »Bitte, Sie müssen etwas trinken.«
»Ja, ja, danke…«
Beide nahmen einen kräftigen Schluck. Der Konstabler vertrug das Zeug, die ältere Frau weniger. Sie schnappte nach Luft und begann gleichzeitig zu keuchen, so daß sich Field gezwungen sah, ihr auf den Rücken zu klopfen.
»Geht es?« fragte er dann.
»Ja, ja, wissen Sie, ich bin das nicht gewohnt. Auch Gilbert hat selten getrunken. Früher mal Whisky, aber jetzt…«
»Ich kannte ihn ja.«
Madge hob den Blick. »Was immer auch gewesen sein mag, er war ein guter Mann.«
»Da habe ich nicht widersprochen.«
»Sie meine ich auch nicht damit. Die anderen Leute im Dorf. Sie haben ihn gemieden, nur weil er nicht in die Messe ging. Er wollte einfach nicht, und man kann einen Menschen dazu nicht zwingen, so denke ich jedenfalls darüber, Mr. Field.«
»Das ist gut so.«
»Danke.« Sie wollte noch etwas sagen, aber beide schraken plötzlich zusammen, als sie den schrillen Pfiff hörten, der selbst vom Mauerwerk und den Fenstern nur schwach gedämpft wurde. Der Konstabler runzelte nur die Stirn, aber Madge wurde blaß. »Wie vorhin«, sagte sie. »Kurz bevor er starb, ertönte der Pfiff. Da richtete er sich noch einmal auf und schrie. Verstehen Sie das, Konstabler?«
James Field nickte, als hätte er alles verstanden. Dabei sagte er:
»Das war der Pfiff einer alten Dampflok, und er ist dort aufgeklungen, wo auch die alte Bahnstrecke entlangführt.«
»Da fährt aber schon lange kein Zug mehr«, sagte Madge. »Es muß jemand anderer gepfiffen haben.«
»Das glaube ich nicht. Es war eine Lok, verlassen Sie sich darauf.«
»Wenn Sie wollen, Konstabler. Ich habe mich nur gewundert, als beim ersten Pfiff mein sterbenskranker Mann so unnatürlich reagierte. Sonst hatte er keine Kraft mehr. Er konnte nicht einmal allein einen Arm heben, die Schwäche war wie Gift. Plötzlich richtete er sich auf und schrie sogar noch durch das offene Fenster etwas, als hätte er für denjenigen, den er meinte, eine Botschaft.«
»Für einen Zug?« fragte Field skeptisch.
»Ich weiß es nicht.«
Der Polizist überlegte. »In welchem Zimmer liegt Ihr Mann? Darf ich ihn sehen?« Field stemmte sich
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