0458 - Der Zombie-Zug
Nacht keinen Sinn haben. Die Gegend ist erstens unübersichtlich, und zweitens ist der Nebel viel zu dicht. Da habe ich nicht die Spur einer Chance, glauben Sie mir.«
»Ich stimme Ihnen zu. Frage mich aber, was er so lange in der dunklen Nacht treibt. Und er war tot, wirklich. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Allmählich komme ich zu der Überzeugung, daß wir auf irgendeine Art und Weise verflucht sind. Ich weiß nicht, aber über unserer Familie muß einfach ein Fluch liegen.«
»Das sind Geschichten…«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Reden Sie nicht so, Konstabler. Es sind vielleicht Geschichten. Und wenn, dann möchte ich sie jedoch als wahr bezeichnen.«
»Davon habe ich nie etwas gehört.«
»Ach, vergessen Sie das Geschwätz einer alten Frau. Ich klammere mich an die Hoffnung, daß er vielleicht am morgigen Tag wieder vor der Tür steht und alles so wird wie früher.«
Das wird wohl kaum zutreffen, dachte der Konstabler und erinnerte sich an den Geisterzug, mit dem der angeblich Tote weggefahren war.
Field hatte seinen Becher geleert. »Dann werde ich jetzt gehen«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr. »Sollte irgend etwas Ungewöhnliches geschehen, Mrs. Field, Sie wissen immer, wo Sie mich erreichen können.«
»Das ist selbstverständlich.« Sie wollte sich erheben, doch Field legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Bitte, bleiben Sie sitzen, ich finde allein zurück.«
»Danke. Gute Nacht.«
Der Konstabler ging. Als er vor dem Haus stand, schaute er sich mißtrauisch um. Das Erlebnis am alten Bahnhof hatte ihn gezeichnet. Er traute und vertraute niemandem mehr. Überall sah er Gespenster. Jede Nebelwolke kam ihm so schrecklich vor, als wollte sie nach ihm greifen und in sich hineinziehen.
Bis zu seinem Haus hatte er es nicht weit. Sein Fahrrad stand in der Nähe. Es lehnte am Stamm eines Baumes, das Metall glänzte naß. James Field schwang sich auf den Drahtesel und dachte während der Fahrt durch den Nebel darüber nach, wie es weitergehen sollte.
Er kam zu keinem Ergebnis, aber eines wußte er genau. Dieser Fall war nicht nur eine, sondern gleich drei Nummern zu groß für ihn…
***
Meine Mutter schaute mich strafend an, als wäre ich noch ein Schulbub, der irgendeinen Streich ausgeheckt hat, um die Nachbarn zu ärgern, die sich dann bei den Eltern beschwert hatten.
»Was ist?« fragte ich.
»Ich will ja nichts sagen, mein Junge, aber freiwillig besuchst du deine Eltern wohl nicht mehr.«
»Wieso? Ich bin hier.«
Mary Sinclair, meine Mutter, winkte ab. »Ja, du bist hier, aber nur, weil dich Dad gerufen hat.«
Ich nahm meine alte Dame in den Arm. »Keine Sorge, ich wäre auch gekommen, wenn du mir Bescheid gegeben hättest.«
»Wirklich?«
»Klar.«
»Na ja«, sagte sie und lächelte so, wie eben nur eine Mutter ihren Sohn anlächeln kann. »Ich will dir mal glauben. Aber nur, wenn du dich gleich zusammenreißt.«
»Wieso?«
»Wir werden Kaffeetrinken. Ich habe Zwetschgenkuchen gebacken. Erinnerst du dich? Als Kind hast du dir danach die Finger geleckt.«
»Und den hast du hier?«
»Natürlich.«
»Mum, du bist die Beste.« Ich faßte sie unter und drehte sie einmal im Kreis, so daß sie protestierte, weil ihr plötzlich schwindlig wurde. Rasch stellte ich sie ab.
»Junge, ich bin doch keine 30 mehr.«
»Ich leider auch nicht.«
»Ach, du Hüpfer.«
So war es eben. Da konnte man 50 Jahre werden und noch älter, wenn die Eltern noch lebten, blieb man in ihren Augen das Kind.
Mit einem lächelnden Gesicht verschwand meine Mutter und ging in die Küche.
Ich ließ mich wieder in den Ledersessel fallen. Der Kaffeetisch war bereits gedeckt. Auch in Schottland hatte es warme Tage gegeben, so stand die Tür zur Terrasse offen, und der typische Herbstgeruch wehte in das große Zimmer.
Mein Vater war noch unterwegs. Seit seiner Pensionierung hatte er mehr zu tun als je zuvor, aber ich hatte bereits kurz mit ihm gesprochen und wußte auch, worum es ging.
Um einen Geisterzug, den es eigentlich gar nicht geben durfte, der aber trotzdem fuhr.
Ich sollte ihn stoppen!
Um das tun zu können, brauchte ich Einzelheiten, die Horace F.
Sinclair mir wohl nach seiner Rückkehr geben würde.
Er kam pünktlich. Sein Gesicht war leicht gerötet. Die grauen Haare wuchsen voll auf seinem Kopf, und in den blaugrauen Augen – die Augenfarbe besaß auch ich – stand ein Lächeln. »John, draußen ist es herrlich. Du hättest mitkommen sollen.«
»Und Mutter?«
Mein Vater winkte
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