046 - Drakula lebt
die Pistole in der Faust, schoß – und traf.
Die Kugel schleuderte das Tier mitten im Flug zur Seite. Mit einem pfeifenden Mißton fiel es neben der Treppe in die Tiefe – hinab in den Kellervorraum.
„Ein Meisterschuß“, sagte ich anerkennend. Aber ich wußte, daß es nicht viel nützen würde. Kugeln vermochten ihm nichts anzuhaben. Darum lief ich auch nicht mit hinab, als der Schütze sagte: „Dann wollen wir uns die Beute mal ansehen.“
„Bleibt zusammen“, warnte ich und hielt Barbara fest. Gemeinsam kümmerten wir uns um Frau Lange, der der Schreck noch in den Gliedern saß.
„Wo ist Ihre Tochter?“ fragte ich sie.
„Ich habe sie in ihrem Zimmer eingeschlossen.“
„Und der Schlüssel?“
Ihr bleiches Gesicht verlor jede Spur von Blut. „Der steckt außen“, stammelte sie.
Wir hasteten nach unten. Auf halbem Weg begegneten uns die Männer, die im Keller nach der abgeschossenen Beute gesehen hatten. Ihre Hände waren leer.
„Nichts“, meinte der Schütze bedauernd. „War vielleicht doch nur ein Streifschuß.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ Ein Aufschrei Frau Langes ließ uns herumfahren. Sie hatte das Kinderzimmer erreicht und stand davor, die Zähne in ihre Faust vergraben.
Ich sah, daß die Tür einen Spalt offen war und stieß sie ganz auf.
Das kleine Mädchen saß mitten im Zimmer, in etwas vertieft. Sie blickte auf und lächelte mir zu. Sie sah nicht, daß hinter ihr eine drohende Gestalt wuchs. Wir blieben wie gelähmt stehen. Alles Fledermausartige verschwand, und die Züge Eriks wurden erkennbar, aber fratzenartig verzerrt. Er hatte wenig Menschliches an sich. Die Züge waren weiß und tief gekerbt, als wäre das Fleisch bis auf die Knochen zusammengefallen. Seine Augen loderten von einem inneren Feuer, einer Gier. Sie waren auf das kleine Mädchen gerichtet. Er schien uns noch gar nicht bemerkt zu haben.
Seine Arme streckten sich aus nach ihr.
Aufbrüllend warf ich mich nach vorn und stieß die Kleine zur Seite. Ich prallte gegen Erik, oder was immer es war, das von ihm Besitz ergriffen hatte. Ich fühlte, wie kalt er war.
Wir fielen beide und rollten über den Boden. Er mit einem raubtierhaften, knurrenden Ton, der keinen Zweifel darüber ließ, daß wir eine Bestie vor uns hatten. Ich merkte instinktiv, wie sein Kopf auf meine Schulter herabstieß und wälzte mich zur Seite, um aus seiner Umklammerung zu kommen.
Undeutlich sah ich, wie sich die Männer auf ihn warfen. Ich taumelte benommen hoch. Zähne schnappten. Ein tiefes Grollen kam aus Eriks Kehle, als er sich unter der Last der Männer schüttelte. Sie hingen wie Kletten an ihm. Frau Lange zog das weinende Mädchen aus dem Zimmer. Ich schob Barbara hinter ihr her und schloß die Tür.
Einer der Beamten versuchte Erik Handschellen anzulegen, was völlig mißlang, weil sich die Gestalt wieder zu wandeln begann. Sie schrumpfte und glitt den Männern förmlich aus den Händen. Schrill kreischend flatterte die Fledermaus hoch und fuhr einem der Polizisten an die Kehle. Der hob instinktiv den Arm und wirbelte mit einem Aufschrei herum. Sein Arm schlug gegen das Fenster, und die Scheiben barsten klirrend.
Im nächsten Augenblick nahm das Tier die Chance zur Flucht wahr und verschwand in der Dunkelheit.
Die Männer standen benommen da.
„Erzählen darf ich das nirgends“, murmelte einer.
„Den sind wir los“, meinte ein zweiter.
„Hoffentlich“, erwiderte ich warnend.
„Sagen Sie mir nur eins“, meinte der erste wieder, „das Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor.“
„Das war Dr. Fellner, den Ihr Kollege oben bewacht hat“, erklärte ich. „Hören wir uns an, was er zu berichten hat.“
Sie starrten mich unsicher an. „Hören Sie, Sie mögen Detektiv sein und sonst was, aber Sie können uns nicht vormachen …“
Ich unterbrach ihn schroff: „Wir haben zu wenig Zeit, um uns hierzu streiten. Kommen Sie, wir werden bald Klarheit haben. Und schließen Sie die Tür gut ab.“
Wir eilten nach oben, gerade als das Telefon zu läuten begann.
Es war Inspektor Hartwig. Seine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.
„Fuchs, Sie hatten recht mit den Fledermäusen!“ rief er. „Sie kommen aus der Klinik, aus einem der Fenster. Wir haben die Scheinwerfer darauf gerichtet. Es müssen Hunderte sein!“
Mir stockte der Atem. „Was tun sie?“
„Das ist noch nicht zu erkennen. Sie sitzen auf dem Dach und den Bäumen. Sie … sie scheinen auf etwas zu warten.“
„Ja auf
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