046 - Penelope von der 'Polyantha'
verirrte sich und versuchte vergeblich, auf die Hauptstraße zu kommen. Er sah sich in einem Labyrinth enger Gassen gefangen, und da er mit der Landessprache nicht vertraut war, konnte er sich nicht einmal nach dem nächsten Weg zum Hafen erkundigen. Er mußte allein sehen, wie er wieder zu seinem Boot kam.
Erst nach einer halben Stunde sah er endlich den Hafen und das Meer wieder vor sich. Er kam zu seiner Anlegestelle - niemand war zu sehen. Als er die kleine Steintreppe hinunterschaute, sah er sein kleines Boot auf den Wellen tanzen und atmete erleichtert auf.
Er wollte eben die Treppe hinuntergehen, als ihn jemand an der Schulter berührte. Er war so aufgeregt und nervös, daß er vor Furcht einen lauten Schrei ausstieß.
»Es ist schon gut. Ich habe hier auf Sie gewartet, um ein paar Worte mit Ihnen zu sprechen«, sagte Mr. Spinner. »Möglich, daß Sie mich nicht gesehen haben.«
»Nein, ich habe Sie nicht gesehen«, erwiderte Hollin atemlos. »Aber ich habe jetzt zu tun, ich habe keine Zeit, ich muß zu meinem Schiff.«
»Wie heißt denn Ihr Schiff?«
»Moss Rose«, log Hollin gewandt. »Von Swansea - das ist ein Hafen in Wales.«
Hollin kannte überhaupt nur diesen einen Schiffsnamen.
»Wie, Sie sind von der ›Moss Rose‹?« fragte Spinner nachdenklich. »Ich wußte gar nicht, daß die hier im Hafen liegt.«
Hollin machte einen Versuch, an dem Kriminalbeamten vorbeizukommen.
»Ich kann nicht länger bleiben - der Captain sagte, ich müsse an Bord sein.«
Aber er kam nicht weiter. Eine feste Hand packte ihm am Arm und zog ihn wieder hinauf.
»Sie kennen mich - ich bin Polizeiinspektor Spinner von Scotland Yard. Und Sie heißen Hollin.«
»Mein Name ist Jackson«, rief Hollin laut. »Ich weiß nichts von Scotland Yard.«
»Sie heißen Hollin, und ich werde Sie jetzt der spanischen Polizei übergeben«, erwiderte Mr. Spinner geduldig. »Wo ist denn eigentlich Ihr Freund? Es hat keinen Zweck, hier Spektakel zu machen. Sie sind doch ein vernünftiger Mann, und ich will zusehen, daß Ihnen nicht viel passiert.«
»Ich heiße Jackson«, widersprach Hollin hartnäckig und versuchte aufs neue, sich loszureißen.
Da ertönte eine schrille Pfeife, und plötzlich schien der ganze Platz von Polizeibeamten belebt zu sein. Mr. Hollin sah nun ein, daß es unmöglich war, zu entkommen, und ergab sich mit Ruhe in sein Schicksal.
»Nehmen Sie diesen Mann in Gewahrsam, Sergeant«, sagte Spinner auf spanisch. »Halten Sie ihn fest, während ich mir das Ruderboot einmal ansehe. Gewöhnlich steht doch der Name des Schiffes darauf.«
Aber zu Mr. Spinners größtem Erstaunen war das Boot, das er eben noch dort hatte liegen sehen, jetzt mitten auf dem Wasser. Es trieb scheinbar ohne Insassen auf die Mitte des Hafens zu. In dem Halbdunkel konnte er den Mann nicht sehen, der ausgestreckt im Boot lag und nur seine Hände als Ruder benützte.
Spinner kümmerte sich nicht weiter darum, sondern überließ es der Hafenpolizei, das Boot an Land zu bringen. Merkwürdige altmodische Handfesseln wurden Hollin angelegt. Er wurde in einen Wagen gesetzt und mußte so durch die Stadt fahren. Er fluchte und bereute seine Torheit, die ihm einen so bösen Streich gespielt hatte, während er schon von Freiheit und einem luxuriösen Leben in Südamerika geträumt hatte.
Ohne langes Verhör, wie er es sonst gewöhnt war, wurde er in ein Rückgebäude der Hauptwache gebracht. Eine Tür öffnete sich, und er stand in einer dunklen Zelle.
14
»Sie haben Hollin geschnappt«, sagte John, aber seine Stimme war ruhig und unbewegt.
»Also doch!« rief Mr. Orford.
Penelope war froh, als sie die Neuigkeit erfuhr. Sie wußte ja nicht, welche Folgen dieses Ereignis nach sich ziehen konnte. Sie war damit zufrieden, daß Hollin eingesperrt war, denn sie hatte ihn schon immer als einen Verbrecher betrachtet, den Bobby Mills aus irgendeinem Grunde aus England fortbringen wollte.
Penelope, Orford und Bobby saßen auf dem Achterdeck, als John die peinliche Botschaft überbrachte.
»Was sollen wir nun tun? Sollen wir bleiben und versuchen, Hollin aus der Patsche zu ziehen, oder sollen wir auslaufen?«
»Ohne Ihnen vorgreifen zu wollen, Mr. Orford, wäre ich doch dafür, Hollin mitzunehmen. Bis zum Morgen sind wir hier sicher, ich kenne die Polizei von Vigo. Die Leute nehmen eine derartig unangenehme und aufregende Sache wie eine Hafenuntersuchung nicht mitten in der Nacht vor.«
Er erzählte jetzt alles, was er gesehen und gehört hatte,
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