046 - Penelope von der 'Polyantha'
und starrte den Besucher an - er hatte aber auch allen Grund dazu.
Der Eindringling war von Kopf bis Fuß in einen enganliegenden Trikot gehüllt. Darüber trug er einen langen, ärmellosen schwarzen Mantel. Eine schwarze Maske bedeckte den oberen Teil seines Gesichts, und eine lange Hahnenfeder nickte von seiner roten Kappe herab. Aber die Polizeibeamten erschraken weniger über die düstere mitternächtliche Erscheinung dieses Mephistopheles als über die Pistole, die er in der Hand hatte und auf sie richtete.
»Sie beide werden mich sofort zu den Zellen begleiten«, sagte der Fremde befehlend, während er sich umwandte und die äußere Tür zur Straße abschloß. »Hören Sie gut zu, meine Herren, ich schieße Sie sofort nieder, wenn einer von Ihnen versucht, um Hilfe zu rufen. Ist das klar?«
»Jawohl«, sagte der Offizier kleinlaut und heiser. »Aber Sie tun da etwas Schreckliches, mein Freund -«
»Sprechen Sie nicht, sondern machen Sie, daß Sie zu den Zellen kommen!«
Er drängte die beiden in den langen Gang, der dorthin führte. Hier fand er auch den Schließer, der auf einem Stuhl eingeschlafen war.
»Nehmen Sie seine Schlüssel, wir brauchen ihn nicht zu wecken! Öffnen Sie die Tür der Zelle, in der der amerikanische Matrose schläft, und bringen Sie ihn heraus!«
Der Offizier nahm Haltung an, steckte die Hände tief in die Taschen und hob den Kopf widerwillig.
»Meinetwegen schießen Sie, aber das tue ich nicht!«
Als aber Mephisto ihm wirklich die Pistole bedrohlich unter die Nase hielt, machte er doch keine weiteren Schwierigkeiten.
Halb schlafend und halb wachend trat Hollin auf den Gang hinaus und staunte die merkwürdige Erscheinung an.
John schnitt schnell noch die Telefondrähte durch, dann schob er Hollin auf die Straße, schloß die Polizeistation von außen zu und warf den Schlüssel in eine Senkgrube.
»Lauf, so schnell du kannst, Hollin!« rief er.
»Ach, du bist es?« fragte Hollin atemlos. »Warum hast du denn keinen Wagen mitgebracht, daß wir zum Hafen fahren können?«
»Halt jetzt den Mund, du verfluchter Windbeutel!«
Sie gingen eilig die Straße hinunter und kamen an einem Polizeibeamten vorbei, der sich in einem Flur zusammengekauert hatte, um sich vor dem Regen zu schützen. Er erwiderte freundlich ihren Gruß.
Die Dämmerung brach herein, als Mr. Hollin müde auf der ›Polyantha‹ ankam. Kaum hatten seine Füße das Deck berührt, so klingelte schon der Schiffstelegraf, die Maschinen setzten sich in Bewegung, und die Jacht fuhr aus dem Hafen von Vigo hinaus.
»Nun zieh dich schnell um, du niederträchtiger Kerl«, sagte John, der trotz seines nassen Anzugs noch eine gute Erscheinung bot. »Du wirst eine kleine Reise mit mir machen.«
»Was meinst du?« fragte der andere widerwillig.
»Die ›Polyantha‹ wird angehalten und durchsucht werden, sowie sie von diesem kleinen Abstecher in den Hafen auf die hohe See kommt. Und ich werde dafür sorgen, daß du dann nicht an Bord bist ...«
Hollin war froh, als er wieder in seine Kabine zurückkehren konnte, denn dort fühlte er sich sicher. Sofort nahm er wieder die beiden großen Pistolen an sich, die er hier zurückgelassen hatte, und kam dann in den Salon zurück. John hatte sich inzwischen auch umgezogen und wartete schon auf ihn. Außerdem waren noch Penelope Pitt, ein Herr und eine Dame bei ihm.
»Das ist ja schrecklich - ich will das Schiff nicht verlassen«, rief Cynthia mit schriller Stimme.
»Sie werden das tun, was man Ihnen sagt«, erwiderte John hart und rücksichtslos. »Diese Unannehmlichkeit wird nicht länger als einen Tag dauern. Wenn die Polizei an Bord der ›Polyantha‹ kommt und uns hier findet, würde ich dagegen eine viel längere unangenehme Zeit vor mir haben, Mrs. Dorban.«
Er sah sie fest und durchbohrend an. »Ich vermute nicht nur, sondern ich bin sicher, daß Sie beide für die Tragödie meines Lebens verantwortlich sind. Ich weiß zwar nicht, wie Sie es angefangen haben, aber es wird Ihnen noch alles nachgewiesen werden, und der Tag der Vergeltung wird kommen. Wenigstens Ihre Beweggründe kenne ich. Ob Sie hinter dem ganzen Plan stecken, der mich in die Hölle verdammte, muß erst noch genau festgestellt werden. Sie werden verstehen, daß ich vor nichts zurückschrecke und so unnachsichtig mit Ihnen verfahre, wie Sie es verdienen.«
Er schwieg eine Weile und schaute Cynthia an, dann wanderte sein Blick zu Arthur Dorban und von diesem zu Hollin.
»Bevor die ›Polyantha‹ das
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