046 - Xendarro, der Vampir
bist.«
Sie lächelte kalt »Nein, Paco, tot bin ich nicht.«
Isabel Cruz blieb stehen. Da sie eine Stufe höher stand, war sie so groß wie er, sie überragte ihn sogar um ein paar Zentimeter. Sanft streichelten ihre schmalen Hände sein Haar.
Sie sagte ihm zärtlich, daß sie ihn liebe, aber es war nicht wahr. Sie belog und täuschte ihn.
»Juan«, sagte Santana plötzlich. »Wo ist eigentlich Juan?«
»Ist er nicht in seinem Zimmer?«
»Nein.«
»Es ging ihm doch nicht gut.«
»Ich war in seinem Zimmer – und in allen anderen auch, konnte ihn jedoch nirgendwo finden.«
»Wir wollen jetzt nicht an ihn denken, Paco, sondern nur an uns. Hast du vergessen, was wir vorhatten? Warum küßt du mich nicht und gehst mit mir nach oben? Juan wird von selbst wieder auftauchen.«
Ihr schönes Gesicht kam näher. Es wirkte blaß. Santana schob es der Katalepsie zu. Vielleicht hatte der Anfall noch leichte Nachwirkungen.
Sollte sich Isabel nicht lieber schonen? Er wollte ihr diese Frage stellen, aber da berührte ihre kühle Wange schon sein Gesicht, ihre Lippen glitten zu seinem Hals weiter, und er spürte, wie sie sich festsaugte.
Zuerst war es ihm sehr angenehm, aber dann fühlte er ein Brennen, das zunahm und bald zu einem unangenehmen Schmerz wurde. Aber Isabel saugte weiter, und ihm war, als würde sie ihn auch beißen. Spitze Nadeln schienen ihm in den Hals zu dringen.
Er versuchte, sie sanft zurückzudrängen, doch sie saugte immer wilder, immer fester, und er glaubte, daß er blutete.
»Hör auf, Isabel«, sagte er. »Ich bitte dich, hör auf, das tut weh!«
Aber sie machte weiter. Sie trank sein Blut!
»Isabel!« schrie Paco Santana entsetzt.
Jetzt stieß er sie zurück, und da sah er die Gier in ihren Augen.
Lange spitze Vampirzähne ragten ihm entgegen.
»Um Himmels willen, Isabel!«
»Dein Blut!« fauchte sie. »Gib es mir, Paco! Ich will es haben! Ich brauche es!«
Sie riß ihn an sich und entwickelte dabei unglaubliche Kräfte. Hinzu kam, daß Santana vom Blutverlust geschwächt war. Verzweifelt wollte er sich von dem weiblichen Blutsauger trennen, doch Isabel Cruz ließ es nicht zu.
Jetzt verbiß sie sich regelrecht in ihn. In panischer Angst unternahm er einen letzten Befreiungsversuch.
Als auch dieser scheiterte, wußte er, daß es keine Rettung mehr für ihn gab.
Langsam schwanden ihm die Sinne. Kurz nahm er noch hinter Isabel eine Bewegung wahr. Dort stand Juan!
»Juan!« gurgelte Santana. »Helfen… Sie … mir!«
Doch Juan Guevara dachte nicht daran. Er stand nur da und lächelte – mit Vampirzähnen!
***
Wir traten aus dem Haus der Astrologin und stiegen in den weißen Seat.
»Irgendwie habe ich gehofft, daß sie die weiße Hexe ist«, bemerkte Pater Severin.
»Wenn sie es nicht ist, fresse ich einen Besen«, sagte ich knurrend und startete den Motor.
Der Priester sah mich erstaunt an. »Aber sie hat gesagt…«
»Sie hat gelogen.«
»Aber warum denn? Hat sie denn kein Vertrauen zu uns?«
»Sie traut nur sich selbst«, sagte ich. »Vielleicht hat sie schon mal draufgezahlt. Nichts macht einen vorsichtiger als schlechte Erfahrungen.«
»Was macht dich so sicher, daß sie die Frau ist, hinter der Magos Schergen her sind?«
»Ich weiß es nicht. Es ist ein Gefühl…«
»Kann es dich nicht trügen?«
»Kaum«, erwiderte ich und fuhr los, doch ich hatte nicht die Absicht, weit zu fahren. Ich wollte lediglich Marras Blickfeld verlassen.
Es gab eine alte Scheune, hinter der ich den Seat anhalten würde, denn ich wollte sehen, was die abtrünnige Hexe nun unternahm.
»Was tun wir hier?« fragte Pater Severin, als ich den weißen Wagen hinter der verwitterten Scheune zum Stehen brachte.
»Marra ist gewarnt«, sagte ich. »Sie weiß nun, daß sie in Gefahr ist. Meines Erachtens müßte sie jetzt irgend etwas unternehmen.«
»Und wenn sie nichts weiter tut, als in ihrem Haus zu bleiben und auf die Schergen zu warten?«
»Dann sind immer noch wir hier und können ihr zu Hilfe eilen, wenn die Höllenkreaturen auftauchen.«
»Angenommen, du irrst dich, Tony, was dann? Vielleicht ist sie tatsächlich keine weiße Hexe.«
»Sie ist eine!« sagte ich sehr bestimmt. »Zugegeben, ich habe nicht den geringsten Beweis für meine Behauptung, aber ich war mir noch nie einer Sache so sicher.«
Wir stiegen aus. Ich bot dem Pater ein Lakritzenbonbon an und nahm mir auch eines. Mißtrauisch schauten wir uns um. In der Dunkelheit lag so viel Frieden, daß es fast unvorstellbar war,
Weitere Kostenlose Bücher