0463 - In den Fängen eines Teufels
Rasiermessers.
Er stand da wie Weiland der düstere Nosferatu, schaute nur und bewegte sich ansonsten um keinen Millimeter. Nur die Augen in dem mit Narben überdeckten Gesicht stierten das Mädchen an. Hin und wieder zuckte er auch mit den Wimpern. Was er aber dachte, war auf seinen widerlichen Zügen nicht abzulesen.
Mara stand ihm so nahe, daß der Lichtschein auch über die Klinge glitt und ihr einen rötlichen Schein verlieh, als hätte man Blut darüber gestrichen.
In ihrem Rücken hörte sie ein Stöhnen, danach einen Fall, drehte sich um und sah, daß sich Alexandra nicht mehr hatte auf den Beinen halten können.
Dieser letzte Schreck war einfach zuviel für sie gewesen. Jetzt lag sie am Boden. Ob sie bewußtlos war, konnte Mara nicht erkennen, aber jetzt stand sie dem Orlock mutterseelenallein gegenüber. Hilfe würde sie keine mehr erhalten.
Das Bild des Unheimlichen verschwand, dafür erschien ein anderes vor ihrem geistigen Auge. Sie sah sich wieder in der Schwimmhalle stehen und auf den Pool starren, in dem die tote Gouvernante trieb. Sogar die dünnen Blutstreifen tauchten noch aus ihrer Erinnerung auf, und sie wußte, daß der Orlock mit ihr das gleiche vorhatte.
»Du bist frei?« fragte sie. Ihre eigene Stimme kam ihr vor wie die einer Fremden.
Er reagierte nicht.
»Wie konntest du das?« schrie sie.
»Teufel!« drang es stockend über die Lippen der Gestalt. »Nur der Teufel!«
»Bist du der Teufel?«
»Ich bin der Orlock! Ich will Blut sehen. Ich werde Blut sehen. Ich bin nicht tot. Alle dachten es, aber ich lebe, und ich werde sie mir wieder holen. Wie damals… wie damals …«
Mit diesen Worten trat er vor. Sie waren gewissermaßen der Startschuß, aber er ging nicht so schnell wie ein Läufer, sondern duckte sich zunächst, bevor er auf Mara zuschlich.
Was sollte sie tun?
Sich einfach töten lassen? Ohne Gegenwehr? Der Orlock war stärker als sie. Ihm war es sogar gelungen, sich unter den Eisenstangen des Gitters hervorzuwinden. Da würde es für ihn eine Kleinigkeit sein, eine Gegnerin wie Mara zu töten.
Aber sie hatte die Fackel!
Als dieser Gedanke und das Wissen in ihr aufflammten, da entstand auch der Wille zum Widerstand. Nein, so einfach wollte sie es dem Unhold nicht machen. Sie würde sich zu wehren wissen. Schon einmal hatte das Feuer der Fackel es geschafft, eine Leiche zu verbrennen. Weshalb sollte dies beim Orlock nicht funktionieren?
Gefährlich nahe kam der Orlock an sie heran. Plötzlich bewegte er ruckartig seinen rechten Arm, zog die Klinge in einer schrägen Linie von oben nach unten, und das war genau der Moment, wo Mara die Fackel gegen ihn stieß.
Das Gesicht des Unheimlichen schien zu einem flackernden roten Ballon zu werden. Sie wollte es treffen, aber es war trotz seiner äußerlichen Unbeweglichkeit viel schneller.
Der Unheimliche tauchte zur Seite, so daß die Fackel nur seine linke Schulter berührte. Die Flammen glitten wie leichte Finger darüber hinweg, einige Funken sprühten in die Höhe, aber die Kleidung des Orlocks fing kein Feuer.
Sie qualmte nur ein wenig, das war alles.
Mara mußte zurück.
Mit der freien Hand schlug der Untote den Fackelstiel und hätte Mara die Waffe fast aus der Hand geprellt. Ein weit ausgeholter Schlag mit dem Rasiermesser verfehlte sie ebenfalls. Dafür rutschte die Klinge über einen am Boden liegenden Stein, als sich der Orlock zu tief bückte. Durch die Berührung leuchtete eine blasse Funkenspur auf, als wollte er das Messer noch schleifen.
In Situationen wie diesen brauchte man eine gewisse Kaltblütigkeit, die Mara allerdings nicht besaß. Sie war einfach zu hektisch. Sie schlug zwar einige Male und wollte dies auch gezielt tun, aber der Orlock ließ sich auf nichts ein. Durch geschicktes Drehen, Tauchen und Wenden entging er den Flammen.
Dann griff er an.
Er tat es auf eine sehr hinterhältige Art und Weise. Plötzlich lag er am Boden. Mara wollte schon triumphieren, weil sie glaubte, ihn endlich erwischt zu haben, aber er war raffinierter.
Das Mädchen hatte den Arm bereits zum Schlag erhoben, als der Orlock plötzlich den Stein schleuderte.
Mara sah noch etwas Dunkles auf sich zufliegen, ganz konnte sie dem Wurfgeschoß jedoch nicht entgehen, das ihre Schläfe streifte und einen bösen Schmerz durch den Kopf trieb.
Sie hatte das Gefühl, gegen eine Wand gelaufen zu sein, riß unwillkürlich die Hände hoch, um sie gegen die getroffene Stelle zu pressen. Dabei ließ sie zwangsläufig die Fackel los,
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