0463 - In den Fängen eines Teufels
drehte den Kopf zur Seite, es erwischte sie an den Haaren. Einige Strähnen zerteilte die Klinge, und die wirbelten davon.
Mara sprang zur Seite. Jetzt war sie aus dem unmittelbaren Bereich der Klinge entwischt und lief dorthin, wo die brennende Fackel am Boden lag, weil ihr Licht noch immer ausreichte, um den Killer besser erkennen zu können.
Blitzschnell hob sie die Fackel auf und schleuderte sie dem Orlock entgegen.
Vielleicht hätte sie mit der rechten Hand werfen sollen, in der sie das Messer hielt. So hatte sie die Fackel nur mit links geschleudert, nicht nur schlecht gezielt, sondern überhaupt nicht getroffen. Sich zweimal überschlagend, wirbelte sie an der Gestalt vorbei und klatschte gegen die Wand.
Der Orlock drehte sich nicht einmal um. Er war voll und ganz auf seine Gegnerin konzentriert, die ihn erwartete.
Sie stand da mit offenem Mund. Die Haare rahmten verklebt das Gesicht ein. Ihr Blick flackerte, und ihr Herz schlug pumpend. Wie konnte sie diesen Unhold besiegen?
Er begann zu singen.
»Dreh dich nicht um, denn der Orlock geht herum…« Es war ein krächzender Gesang, stotternd und von keuchenden Lauten unterbrochen.
Seine Augen waren ohne Leben. Sie wirkten wie in das Gesicht hineingepreßte Kugeln.
Schwankend ging er weiter. Breitbeinig, wie ein Mensch, der zuviel getrunken hatte.
Mara dachte an Flucht. Vielleicht war es besser, wenn sie zurück in das Schloß lief. Dort konnte eher einer zu Hilfe eilen als hier unter der Erde. Doch dann hätte sie Alexandra im Stich lassen müssen. Sie brachte es einfach nicht fertig, sie diesem Monster zu überlassen.
Wenn sie wenigstens aus ihrer Ohnmacht aufgewacht wäre, dann hätte sie ebenfalls flüchten können, so aber blieb Mara nichts anderes übrig, als um ihr Leben und das ihrer Freundin zu kämpfen.
Der Orlock gehörte zu den Wesen, die erst aufhörten, wenn sie einen Sieg errungen, das heißt, den Feind getötet hatten. Irgendwo in den Spalten und Nischen steckten die schrecklichen Beweise für diese Annahme. Junge Mädchen, die er vor langer Zeit umgebracht und anschließend versteckt hatte.
Der Orlock stieg über einen Stein hinweg. Er schaute dabei auf seine Füße, und Mara ließ sich ablenken, denn noch in der Bewegung warf der andere das Rasiermesser.
Diesmal war es zu spät. Mara zuckte zur Seite, aber die Klinge drehte sich so raffiniert, daß sie schräg in den Oberarm des Mädchens drang und steckenblieb. Vor Schreck ließ sie ihr eigenes Messer fallen.
Dann drehte sie den Kopf und starrte die Klinge in ihrem Arm an, als könnte sie es nicht glauben. Ihre Augen waren geweitet, und sie wunderte sich darüber, daß sie nichts spürte.
Der Schmerz kam nach dem Schock.
Da hatte sie plötzlich das Gefühl, als wäre ihr Oberarm mit Schwefelsäure übergossen worden, die sich allmählich weiterfraß.
Noch stand sie auf den Beinen, aber sie merkte bereits, daß ihre Widerstandskraft schmolz. Instinktiv merkte das junge Mädchen, daß dies der Anfang vom Ende war.
Auch dem Orlock war dies klar. Er bewegte sich jetzt schneller und holte noch ein Messer hervor.
Als er es aufklappte, merkte Mara plötzlich, in welch einer Gefahr sie schwebte. Sie überwand sich selbst und packte den Griff des in ihrem Arm steckenden Messers.
Mit einem Ruck riß sie es hervor und schleuderte es dem Orlock wutentbrannt entgegen.
Der wischte mit seiner freien Hand durch die Luft, wehrte das zu schwach geschleuderte Messer ab und ging die letzten Schritte. Maras Widerstand war gebrochen.
Sie wollte noch zurück, aber der Orlock hielt sie plötzlich fest. Er faßte ihren linken Arm an. Weil es der verletzte war, fing sie an zu schreien.
Der Orlock hielt sie fest.
Den rechten Arm hob er. Aus der Faust ragte die Klinge, als er Mara langsam dem Boden entgegendrückte, um im nächsten Augenblick den Arm nach unten rasen zu lassen…
***
Ich konnte kaum glauben, was ich sah. Da stand der Orlock, hatte sich ein junges Mädchen gekrallt und wollte es töten. So wie er seine Opfer immer umgebracht hatte.
Mit einem Messer!
Ich hatte mich nach den Erklärungen des Teufels und dem Einsturz des Ganges beeilt. Aber natürliche Hindernisse, wie aufeinandergetürmte Steine oder Felsen hielten mich auf. So kam ich nur langsam voran. Hin und wieder vernahm ich das verdächtigte Knirschen über mir im Deckengestein.
Einige Male war noch etwas nachgerieselt. Aber das war ja nicht lebensgefährlich.
Auch eine Tote war mir im wahrsten Sinne vor die Füße
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