0467 - Der Kristall der Macht
auch, daß er atmete. Aber warum reagierte er dann nicht auf den Ewigen?
Es gab nur eine Lösung.
Der Dämon war so sehr mit irgend etwas beschäftigt, daß er seine Umgebung trotz geöffneten Augen überhaupt nicht wahrnahm. Er konzentrierte sich so sehr auf das, was er tat, daß er für seine Gegenwart blind war.
Salem befeuchtete mit der Zungenspitze seine trocken werdenden Lippen. Er ging das Risiko ein, sich zu räuspern und durch das Geräusch den Dämon in seiner Konzentration zu stören. Immerhin hielt er nach wie vor die schußbereite Waffe auf ihn gerichtet, und er hatte auch seinen Dhyarra-Kristall einsatzbereit. Dennoch durfte er den Dämon nicht unterschätzen. Möglicherweise war dessen geistige Versenkung nicht einmal etwas anderes als die Arbeit an einer magischen Falle, die jeden Moment über Salem zuschlagen konnte…
Der Dämon reagierte nicht auf das Geräusch. Er reagierte auch nicht, als der Ewige ihn direkt und laut ansprach. Nichts… und dieses Nichts machte ihm den Dämon immer unheimlicher!
So versunken konnte der doch gar nicht sein!
Aber er bewegte sich immer noch nicht, als Salem näher an ihn heran kam. Der Ewige fand Zeit, den Unheimlichen näher zu betrachten. Er trug eine dunkle Kapuzenkutte, unter der sein Gesicht zu erkennen war. Als Salem näher kam, sah er deutliche Spuren von Zellverfall in diesem Gesicht. Dieser Dämon sah aus, als sei er im Stadium der Verwesung. Jetzt fiel dem Ewigen auch die Ausdünstung auf.
Ein Lebender, dessen Körper starb…
Je länger sich Salem im direkten Sichtfeld des Dämons aufhielt, desto sicherer wurde er. Er nahm jetzt auch die Umgebung näher in Augenschein. Aus dem diffusen Dämmerlicht schälten sich die Umrisse der Toten. Skelette lagen hier. Dutzende, Hunderte. Vielleicht tausende. Sie alle mußten vor langer Zeit gestorben sein. Einige trugen fadenscheinige und größtenteils verrottete Uniformreste, andere Rüstungen, an denen der Rost nagte. Soldaten… Krieger…
Leonardos Knochenhorde! Die Armee der Skelett-Krieger des einstigen Fürsten der Finsternis Leonardo deMontagne! Hier lagen sie, nicht mehr einsatzbereit, weil ihr Herr tot war und es deshalb niemanden mehr gab, der sie mit seinen mentalen Impulsen am untoten Scheinleben hielt! Zeitlebens hatte er sie nach Belieben abrufen und einsetzen können, hatte nie Probleme mit dem Nachschub für seine untote Armee gehabt. Man konnte die Skelett-Krieger nur »töten«, indem man ihnen den Kopf abschlug, aber für jeden, der ausgeschaltet wurde, konnte Leonardo jederzeit zwei neue rufen. Sie entstammten allen Epochen der menschlichen Kriegsgeschichte, beginnend bei der frühesten Vorsteinzeit.
Nun war es damit vorbei. Und die letzten, die Leonardo vielleicht noch aktiviert hatte, um sie auf Abruf einsatzbereit zu haben, lagen hier um den verwesenden Dämon herum verteilt und würden sich nie wieder erheben.
Salem überlegte. Fand er hier nicht eine perfekte Verkleidungsmöglichkeit?
Er trat zwischen die Krieger und kauerte sich nieder. Den Dämon vorsichtshalber nicht aus den Augen lassend, griff er nach einem Rüstungsteil und hob es an. Er konnte es mühelos vom Skelett seines Besitzers lösen, weil das zu Staub zerfiel. Die Kraft, die es zusammengehalten hatte, fehlte seit Leonardos Tod.
Die Rüstung klirrte und schepperte. Aber immer noch erwachte der Dämon nicht aus seiner Konzentration. Unbegreiflich zwar, aber Salem wäre ein Narr gewesen, hätte er seine Chance nicht genutzt. Er legte die Rüstung an. Skrupel, sie einem Toten abzunehmen, empfand er nicht. Der brauchte sie ohnehin nie mehr und war darüber hinaus schon so lange tot, daß es seine Ruhe sicher nicht mehr stören würde. Salem dagegen hatte durchaus Verwendung für die Teile.
Schließlich stand er wie ein gepanzerter Ritter da.
Unter der Rüstung trug er immer noch seinen Silber-Overall. Der konnte ihn jetzt nicht mehr verraten. Als Salem sich entschloß, in die Höllentiefe einzudringen, hatte er lange überlegt, ob er auf den Overall verzichten sollte oder nicht. Dann hatte er sich entschlossen, ihn zu tragen. Er schützte ihn vor bestimmten magischen und anderen Strahlungen. Die Overalls waren stets nicht nur so etwas wie eine Uniform gewesen, sondern auch ein Schutzinstrument…
Aber auf den blauen Schultermantel verzichtete Omikron jetzt, der in Rüstung und Helm mit einem mittelalterlichen Krieger zu verwechseln war. Seinen Dhyarra-Kristall hatte er noch in der Hand, konnte ihn aber in einer
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