0468 - Grab-Phantome greifen an
waren.
Dabei entstand kein Geräusch. Obwohl es für die Kunzes so aussah, als würden die Füße der Geister im gefrorenen und harten Laub versinken, hörten sie weder ein Rascheln noch ein Schaben. Diese drei waren wie Phantome.. Lautlos, geisterhaft, unheimlich…
Von den Menschen bewegte sie niemand. Elke drehte nur dann und wann ihren Kopf, wenn es einem der Geister gelang, aus ihrem Blickfeld zu entschwinden.
Noch immer standen die Eheleute da wie angewurzelt. Sie bewegten sich auch nicht, als sich eine der Gestalten plötzlich hart drehte, mit dem nächsten Schritt auf den Weg ging und sie anstarrte.
Die Entfernung war gering. Elke und Uwe konnten durch den Körper schauen und sahen sogar die hellere Mauer der Kirche. Der Geist vor ihnen war kleiner als sie. Er wirkte gedrungen, besaß sehr breite Schultern und war auch bewaffnet.
Ein Mittelding zwischen Säbel, Lanze und Schwert wuchs aus seiner Faust. Sehr gefährlich sah das Instrument aus, das eine breite Spitze besaß, deren Seiten mit Widerhaken bestückt waren. Diese Waffe konnte, wenn sie echt war, fürchterliche Wunden reißen.
Elke erwachte aus ihrer Lethargie. Sie stieß Uwe den Ellbogen in die Seite. »Laß uns fliehen, komm…!«
Und die beiden rannten.
Es war im letzten Augenblick geschehen, denn in ihrem Rücken hörten sie ein fürchterliches Jaulen, als würde der Geist all seine Wut und seinen Haß hinausschreien.
Uwe nahm auch keine Rücksicht mehr auf seine Frau. Er stieß sie so hart durch das Friedhofstor, daß sie auf der anderen Seite fast gestolpert und gefallen wäre.
Sie konnte sich gerade noch fangen, schaute zurück und sah die geduckte Gestalt ihres Mannes, der das kleine Tor zuriß. Es knallte gegen die Mauer, das dabei entstehende Geräusch hörten beide, aber noch ein anderes. Die Schwertklinge knallte gegen die Eisenstäbe.
Eine Geisterklinge?
Nein, sie war es nicht. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne hatte sie sich materialisiert, war zu einer echten Waffe geworden und hätte Uwe Kunz auch töten können.
Elke bekam davor Angst, daß es den Geistern gelingen konnte, die Mauer zu übersteigen. Das geschah nicht. Dennoch lief sie ihrem Mann entgegen und hielt ihn fest.
Uwe war totenbleich. Er schluckte, reden konnte er nicht, dann drehte er sich um, weil er zurückschauen wollte. Als Elke seinen Rücken sah, erkannte sie auch den Schnitt an der Schulter. Es mußte dem Unhold im letzten Augenblick gelungen sein, ihren Mann zu erwischen, denn der Mantelstoff wirkte wie sauber aufgetrennt.
Ein Hieb hatte ihn gestreift.
»Ist etwas?« fragte Uwe.
»Ja, dein Mantel.« Sie berichtete, was sie gesehen hatte.
Uwes Augen wurden noch größer. Er wollte etwas sagen, schüttelte dann nur den Kopf, weil ihm einfach die Worte fehlten.
Müde lehnte er sich gegen seine Frau, und die beiden Eheleute stützten sich gemeinsam. Sie hatten etwas Schreckliches erlebt, einen wahr gewordenen Alptraum, an den sie beide noch nicht glauben mochten.
»Ich schaue noch mal nach«, sagte Uwe.
»Du willst doch nicht…?«
»Keine Sorge. Ich gehe nicht mehr zurück auf das Gelände.«
Während Elke Kunz stehenblieb, näherte sich Uwe der Mauer, die so niedrig war, daß er leicht über sie hinwegschauen konnte. Als er es tat, hatte er das Gefühl, verrückt geworden zu sein. Einige Male schloß er die Augen, öffnete sie wieder und wollte nachschauen, ob er sich getäuscht hatte. Dann rief er Elke herbei.
»Was ist denn?« Ihre Stimme zitterte leicht.
»Schau dir das an. Was siehst du?«
Da Elke Kunz relativ groß war, gelang es ihr ebenfalls, über die Mauer zu schauen. »Ich sehe die Grabsteine. Sie sind aufgerichtet. Keiner liegt mehr.«
»Eben.«
»Und die Geister?«
»Verschwunden, Elke. Einfach verschwunden. Sie sind weg.«
Die Frau ging einen Schritt zurück und schaute ihren Gatten an.
»Uwe, das glaubt uns niemand«, sagte sie. »Nein, das ist ein Wahnsinn. So etwas wird man uns nicht abnehmen, wenn wir das berichten. Wir haben keine Beweise.«
»Und die tote Silvia Servais?«
»Vielleicht ist sie auch verschwunden.«
Uwe Kunz nickte. Dabei strich er fahrig über sein blondes Haar.
»Ich müßte mal in der Kirche nachschauen, ob dem tatsächlich so ist, wie du angenommen hast.«
Elke packte ihren Mann so hart an, als wollte sie seinen Arm zerdrücken. »Nein, Uwe, nein. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich lasse das nicht zu, verstehst du?«
»Nur so kann ich Gewißheit…«
»Uwe, das ist nicht unsere Aufgabe.
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