0468 - Grab-Phantome greifen an
Da müssen wir die Polizei mit einbeziehen.«
Kunz überlegte einige Sekunden, bevor er nickte und seiner Frau recht gab. Wieder rollte ein Bus heran, hielt und entließ einige Jugendliche, die dicht an der Mauer vorbeigingen und ihre Späße machten. Die Kunzes beachteten sie nicht.
Überhaupt war alles normal.
Gegenüber in der Gaststätte brannte Licht. Manchmal wurde die Tür aufgestoßen, wenn neue Gäste kamen oder andere die Wirtschaft verlassen wollten.
Da war Leben, da hatte man Spaß, und niemand dort ahnte, was sich schräg gegenüber für ein Horror ereignet hatte.
»Ich will nicht mehr bleiben, Uwe! Komm…« Sie holte tief Luft. »Ich habe allmählich das Gefühl, als würde sich hier etwas Unheimliches zusammenbrauen. Als wir da standen, fiel mir die alte Geschichte ein, die man sich über die Taufkirche erzählte. Wenn mich nicht alles täuscht, haben heidnische Horden vor über tausend Jahren ihrem Götzen sogar Menschenopfer gebracht. Wie bei Silvia Servais«, fügte sie noch leise hinzu …
***
Wir waren nur kurz über die Autobahn gefahren. Refrath besaß eine eigene Abfahrt an der Strecke Köln-Olpe. Hier war ich zum erstenmal und schaute dementsprechend aufmerksam und interessiert aus dem Fenster. Von einem ruhigen Vorort konnte nicht gesprochen werden, dazu war die Hauptstraße, die den Vorort in zwei Hälften teilte, einfach zu stark befahren. Und dort mußten wir auch hin, um den Mann zu besuchen, mit dem sich der Kommissar schon in Verbindung gesetzt hatte.
Pfarrer Himperich!
Mallmann hatte seinen Manta vor dem Pfarrhaus abstellen können. Es war ein roter Backsteinbau, der im Schatten der Kirche lag und von einer Grünfläche umgeben wurde. Nicht weit entfernt befand sich eine Einkaufsstraße mit Supermärkten und auch anderen, kleinen Geschäften, in denen man persönlicher bedient wurde.
Wir waren zwar angemeldet und hatten auch einen festen Termin ausgemacht, mußten trotzdem warten, weil der Pfarrer im Gespräch mit einer jungen, verzweifelten Mutter war, das er so einfach nicht abbrechen konnte. Dafür bekamen wir von der Gemeindehelferin, einem jungen Mädchen mit schwarzer Wuschelkopf-Frisur, Kaffee gebracht. »Es wird aber nicht mehr lange dauern«, versprach sie uns. »Außerdem geht es bei Ihnen ja um Mord, wenn ich mich nicht irre?«
»Wieso?« fragte Will.
Die junge Frau schüttelte so stark ihren Kopf, daß die Haare anfingen zu zittern. Sie lehnte an der Wand und hatte die Beine gekreuzt. Bekleidet war sie mit einer dunklen Cordhose und einem Pullover, der wie selbstgestrickt aussah. »Haben Sie denn davon noch nichts gehört?«
»Man hat in der alten Taufkirche eine Tote gefunden. Eine Frau, die ermordet wurde.«
Will sprang auf. »Wann war das?«
»Gestern abend.«
Der Kommissar nahm wieder Platz und sah mich an. »John, davon wußte ich nichts.«
Ich schaute durch das Fenster. Dahinter lag eine Rasenfläche, auf der noch Reif glänzte. »Wenn es erst am gestrigen Abend passiert ist, liegt es auf der Hand.« Ich wandte mich an die Pfarrhelferin.
»Hat die Polizei schon irgendwelche Spuren gefunden?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wer hat die Tote denn entdeckt?«
Sie stieß sich von der Wand ab. »Ein bekanntes Ehepaar hier aus der Gemeinde. Sie statteten dem Friedhof einen Besuch ab und haben noch einen Blick in die Kirche geworfen. Da fanden sie dann die Tote.«
Der Pfarrer kam. Er war nicht allein und brachte die Frau, die ihn hatte sprechen wollen, noch zur Tür. Anschließend bat er uns in sein Arbeitszimmer, dessen Luft von würzigem Pfeifenrauch geschwängert wurde. »Bitte, setzten Sie sich«, sagte er und ließ sich ebenfalls nieder.
Pfarrer Himperich glich einem älter gewordenen Intellektuellen, der sich in irgendwelche Forschungen vergraben hatte. Auch er trug eine Cordhose, die Röhrenform zeigte. Der selbstgestrickte Pullover reichte bis über die Hüften und besaß ungefähr die gleiche Farbe wie sein Bart, durch den er hin und wieder mit zwei Fingern strich, als wollte er die einzelnen Fäden zu einer geraden Linie formen.
Sein Gesicht war schmal, die Augen blickten hellwach und forschend. Wenn er sprach, tat er es mit leiser Stimme, die jedoch ein Timbre besaß, daß man einfach zuhören mußte.
»Sie haben eine weite Reise hinter sich, meine Herren. Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
»Danke.« Wir wehrten beide ab und kamen ziemlich schnell zur Sache. Will Mallmann übernahm das Wort. »Wie uns Ihre Pfarrhelferin berichtete, hat es in
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